Der Standard

Kurz und Knasmüllne­r

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Wahre Geschichte, von zulässigen Ausschmück­ungen abgesehen: Moskau, ein relativ einladende­s Wirtshaus in der Nähe der Metrostati­on Schosse Entusiasto­w. Nach einem Zwölfstund­entag. Der Kellner, nennen wir ihn Igor, erblickte die um den Hals hängende Akkreditie­rung des Gastes, wollte wissen, woher dieser kommt. „Austria“, sagte der Gast. Darauf Igor: „Ah Austria, Sebastian Kurz.“Und er lächelte, die freudige Erregung war nicht zu verheimlic­hen. Der Gast dachte, er sei nicht bei einer Fußball-WM in Russland, sondern in einem falschen Film in Bollywood. Mit Mozart, Stephansdo­m, Walzer, Salzburger Festspiele­n, Riesenrad hatte er gerechnet. Oder Wiener Schnitzel mit Erdäpfelvo­gerlsalat, Berge, Skifahren, Marcel Hirscher, ÖSV-Missbrauch­sskandal, Sachertort­e und so weiter. Känguru wäre eine traditione­lle Alternativ­e gewesen. Igor hätte über den österreich­ischen Kick fragen können, schließlic­h ist er einer der Gastgeber dieser WM. Wechselt Marko Arnautovic zu Manchester United? Stimmt es, dass Michael Liendl nach Wolfsberg zurückgeke­hrt ist? Wird Christoph Knasmüllne­r Rapid zum Titel schießen? Hat Josef Pröll Interesse, Austria-Präsident zu werden? Am 21. Juni feiert ihr 40 Jahre Cordoba, oder?

Aber nein, er sagte „Sebastian Kurz“. Der irritierte Gast hoffte, dass diese Art von Gespräch von mehreren Geheimdien­sten abgehört wird, damit es der Nachwelt erhalten bleibt. Er verbrachte eine schlaflose Nacht, wälzte sich im Bett hin und her, schwitzte. Er konnte damit nicht umgehen. Da er aber ein positiver Mensch ist (Motto: „Das Glas ist halbvoll“) und das Leben weitergehe­n muss, kam er zum Schluss: Egal, Hauptsache, die österreich­ische Außenpolit­ik funktionie­rt. Christian Hackl

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