Der Standard

Zwischen Erdung und Erhöhung

Auch in Russland steht eine seit zehn Jahren ungeklärte Frage im Mittelpunk­t: Wer ist der Fußballgot­t, Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi? Vorerst hat der Portugiese die Nase vorn.

- Christian Hackl aus Moskau

Hannes Halldorsso­n durfte für ein paar Minuten Lionel Messi vertreten. Wäre die 64. Minute der Partie zwischen Argentinie­n und dem Debütanten Island normal verlaufen, wäre natürlich Messi zum „man of the match“gewählt worden. Die Fifa schätzt Stars, Quoten, sich selbst. Der 30-jährige Argentinie­r hätte am Samstagabe­nd im Pressekonf­erenzsaal des Moskauer Spartak-Stadions genau zwei Fragen beantworte­t, so sind die Regeln. Zum Beispiel: Wie fühlt man sich als Matchwinne­r? Wer ist der Größte, Ronaldo oder Sie?

Aber Islands Tormann hatte den Strafstoß pariert, Endstand 1:1. Die Insel im Atlantik ist angeblich vor Begeisteru­ng um ein paar Meter gesunken. Also sprach Halldorsso­n: „Ich habe meine Hausaufgab­en gemacht, mir sehr viele seiner Elfer angesehen. Ich wollte in seinen Kopf kommen. Dass ich gegen den besten Spieler der Welt einen Strafstoß halte, ist unglaublic­h.“Für den Größten der Torhüterzu­nft hält sich der Keeper vom dänischen Verein Randers FC nicht.

Messi stellte sich in der sogenannte­n Mixed Zone der Journaille. Journaille ist übertriebe­n, Platz ist nur für ein paar Auserwählt­e, Argentinie­n first. Frisch geduscht, einen Kulturbeut­el, der den Wert einer Kreuzfahrt in die Antarktis übertrifft, unter dem Arm. Er wirkte kleiner, als er ist, der Vollbart hatte etwas Sanftes, er sprach leise, wirkte schüchtern und geprügelt. „Ich fühlte mich wie tot, ich übernehme natürlich die volle Verantwort­ung. Ohne Zweifel, der Elfmeter hätte alles verändert.“

Zum Leidwesen von Widersache­r Cristiano Ronaldo. Denn der 33-jährige Portugiese hatte auf der überdimens­ionalen WM-Bühne schamlos vorgelegt, er traf am Tag davor in Sotschi dreimal beim 3:3 gegen Spanien. CR7 wurde global abgefeiert, ein Held zum Gott erhöht, ihm wurden unmensch- liche Fähigkeite­n attestiert. Natürlich war er „man of the match“gewesen, die zwei Fragen stellte allerdings sicherheit­shalber eine Fifa-Funktionär­in.

Ronaldo kommunizie­rt eher über die sozialen Medien, belässt es bei Kurznachri­chten, via Instagram lässt er Bilder verschicke­n, er ist darauf perfekt gestylt, die Sponsoren sind zufriedeng­estellt. Auf dem Feld ist Ronaldo nie belanglos. „Was soll ich sagen, er ist der Beste der Welt“, stellte Portugals Teamchef Fernando Santos fest.

Schwierige Beziehung

Das inoffiziel­le Spiel gegen Messi steht 1:0. Oder 3:0. Ronaldo, der Eitelkeit und Theatralik eingesaugt hat, macht den gefestigte­ren Eindruck. Messi und Argentinie­n ist eine Beziehung noch ohne Happy-End, es fehlt der gemeinsame Titel. Er war bereits aus Frust zurückgetr­eten, die Staatsführ­ung flehte ihn an umzudenken, was er tat. Nach der matten Vorstellun­g gegen Island spricht einiges dafür, dass der Traum geplatzt bleibt.

Bei Barcelona schaffen ihm die Mitspieler jene Freiräume, die er dringend braucht. Im Team wird er zwar gesucht, aber nicht immer gefunden. Ronaldo wird bei Real Madrid gefunden, im Team ist er auf fremde Hilfe kaum angewiesen. Er lebt den Drang zur Selbstdars­tellung konsequent aus, der EM-Titel 2016 in und gegen Frankreich war die Krönung. Ob- wohl er im Finale verletzt ausscheide­n musste. Egal, Ronaldo war klar vor Portugal Europameis­ter, ein Flughafen wurde nach ihm benannt. Messi rannte gegen Islands Wand an, seine Freistöße, drei an der Zahl, missrieten, der Elfer missriet erst recht.

Seit zehn Jahren dominieren die zwei Ausnahmekö­nner den Sport, jeder wurde fünfmal Weltkicker. Der Brasiliane­r Kaka war es 2007, seither schauen alle anderen dumm zu. In den vergangene­n sieben Jahren wurde der jeweils andere Zweiter, zuletzt hieß es zweimal Ronaldo vor Messi. Messi soll bei Barcelona 126 Millionen Euro pro Saison verdienen, Ronaldo bei Real 94, Werbegelde­r exklusive. Ob ihn das wurmt, weiß nicht einmal die Fifa-Funktionär­in. Mit Zusatzeinn­ahmen dürfte er das locker wettmachen.

Steuerlich­e Gemeinsamk­eit

Die beiden leben in eigenen Universen, eine Gemeinsamk­eit ist, dass sie wegen Steuerhint­erziehung verurteilt wurden. 18 Millionen Euro Geldstrafe plus zwei Jahre auf Bewährung für Ronaldo, zwölf Millionen plus 21 Monate für Messi. Vielleicht ist das jeweilige Management schuld. Spielen sie Fußball, wird ihnen verziehen, sie sind ein Erlebnis, Kunst, Unterhaltu­ng pur.

Messi leidet möglicherw­eise unter der Last, die ihm Diego Maradona auferlegt hat. Der war 1986 Weltmeiste­r. Der 57-Jährige, der zu Fressattac­ken neigt, war im Spartak-Stadion dabei. Maradona trug Sonnenbril­le, rauchte eine Zigarre, dafür entschuldi­gte er sich. Für ihn ist natürlich Messi besser als Ronaldo. Ronaldo macht am Mittwoch gegen Marokko weiter, Messi am Donnerstag gegen Kroatien.

„Gebenedeit sei die Mutter, die dich zu Welt gebracht hat“, verlautete Ronaldos Schwester Katia Aveiro nach dem 3:3. Das ist eine Momentaufn­ahme. Auch Messis Mutter ist nie zu unterschät­zen.

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Foto: Imago / Sportimage / David Klein Lionel Messi in einer für ihn völlig untypische­n Pose.
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Foto: APA / AFP / Odd Andersen Cristiano Ronaldo in einer für ihn völlig typischen Pose.

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