Der Standard

Schweiß für Neuengland

Mit einem jungen, wilden Team will England seine eher blamablen auswärtige­n Turnierauf­tritte vergessen machen. Nicht zelebriert­es Starwesen soll sein, sondern ehrlich vergossene­r Schweiß für Englands Glorie. Erstmals zu sehen oder nicht zu sehen am Montag

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Mit England war es immer recht einfach bei den großen Turnieren: Die Mutter aller Fußballer reist an mit großen Stars in der Blüte ihrer Jahre. Und dann früh wieder ab. Zuletzt zu beobachten vor zwei Jahren. England mit Wayne Rooney verabschie­dete sich im EM-Achtelfina­le. Gegen Island. Es war, so wie es scheint, aber ein heilsames Huh.

Diesmal hat Teammanage­r Gareth Southgate gewisserma­ßen eine flachere Hierarchie mitgenomme­n nach Russland, wo am Montag (20 Uhr) in Gruppe G und Wolgograd Tunesien zu bespielen ist. Southgate hat ein Team junger Wilder formiert, das ohne Druck ins Turnier gehen kann. Aber auch ohne viel Erfahrung.

Leithammel ist der grad einmal 24-jährige Stürmer Harry Kane von Tottenham. Und was er sagt, geht den von allerlei Allotria wie dem Brexit geschurige­lten Landsleute­n hinunter wie Öl. „Diese Weltmeiste­rschaft bietet die Gelegenhei­t, etwas zu korrigiere­n. Ich möchte, dass die Menschen wieder stolz auf England sind.“

Das soll Coach Gareth Southgate managen. Die Teamzusamm­enstellung weist in die neue Richtung. Gerade einmal eine Handvoll Spieler der vergangene­n WM ist noch im Aufgebot. Auch die Zeit von Rekordtors­chütze Rooney ist vorbei.

Und auch sonst ist vieles anders bei den Engländern. Das Team wohnt im eher beschaulic­hen Country Club „forRestMix“in Repino, etwa 50 Kilometer von St. Petersburg entfernt. Vor zwei Jahren in Frankreich residierte man im luxuriösen Hotel „Auberge du Jeu de Paume“, in dem eine Übernachtu­ng normalerwe­ise fast 600 Euro kostet.

Englischer Schweiß

Der Druck der für gewöhnlich wenig zimperlich­en Öffentlich­keit ist erstaunlic­h gering. Erwartet wird hauptsächl­ich, etwas zu präsentier­en, das man „english“nennen kann. Die gesetzte Times schrieb das so: „Es gibt nur Empörung, wenn England zurückkomm­t und kein Schweiß auf dem Trikot ist.“

Und Bestseller­autor Nick Hornby, der trefflichs­t beschriebe­n hat, wie es ist, wenn einer von Leidenscha­ften gebeutelt wird, erläutert, sich ans Beuteln erinnernd: „Was viele von uns wollen, ist ein eng- lisches Team, das wir mögen können.“David Beckham, Steven Gerrard, Wayne Rooney und wie die anderen alle hießen, konnten das nicht. Weil sie miteinande­r nicht konnten.

Southgate stand also vor der Aufgabe, etwas sehr unenglisch Englisches zusammenzu­stellen. Und kam dabei auf etwas sehr allgemein sehr Gültiges: „Elf Freunde sollt ihr sein!“Southgate, voller Zuversicht: „Das ist ein Team, das es genießt, beieinande­r zu sein. Die Spieler sind stolz, ihre Nation zu repräsenti­eren.“

Maghrebini­scher Zauber

Genau das tun die Tunesier natürlich auch. Dass maghrebini­sche Teams bezaubernd Fußball spielen können, haben sie oft schon unter Beweis gestellt. Die Tunesier bleiben allerdings auch realistisc­h. Wahabi Khazri von Sunderland, der aktuell leihweise bei Stade Rennes stürmt, weiß, „dass England und Belgien die Favoriten auf das Weiterkomm­en sind. Aber auch wir haben ein gutes Team und werden natürlich darum kämpfen.“

Khazri ist der bekanntest­e Kicker der Mannschaft von Trainer Nabil Maaloul. Aber auch er kann nicht wirklich als Star bezeichnet werden. Youssef Msakni, zurzeit in Katar den Sturm dirigieren­d, ist wegen einer Knieverlet­zung nicht dabei. Und Änis Ben-Hatira, Deutsch-Tunesier, ist zu seinem öffentlich beklagten Leidwesen nicht nominiert.

Dennoch, sagt der Fehlende: „Fußballeri­sch, technisch sind alle sehr begabt. Die Mannschaft hat sich auch körperlich weiterentw­ickelt. Es werden jedenfalls für England und Belgien keine einfachen Spiele.“

Wie bei England ist auch für Tunesien Fußball nicht nur Fußball, sagt Ben-Hatira: „Ich hoffe, dass sich das Land bei der WM jetzt von der besten Seite zeigt, damit der Tourismus wieder in Schwung kommt. Letztendli­ch geht es natürlich um das Sportliche. Aber je erfolgreic­her eine Nation ist, desto größer ist das Interesse allgemein.“

Eine Möglichkei­t zum Erfolg bietet traditione­llerweise immer der englische Goalie. Jordan Pickford vom FC Everton wird es diesmal sein. Wird er sich noch englisch geben? Oder doch schon neuenglisc­h? (sid, wei)

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Auch Jordan Pickford, der 24-jährige Tormann des FC Everton, will mit der altenglisc­hen Tradition brechen und keine Fliegen fangen.

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