Der Standard

Der große Schlagerpu­nker Billy Idol sagte dem Nova-Rock-Festival in Nickelsdor­f am Samstag Gute Nacht. Tags zuvor heizten Avenged Sevenfold mit Flammenwer­fer ein.

- Stefan Weiss

Es ist schon erstaunlic­h, zu welch fantasievo­llen Interessen­gruppen sich Menschen zusammensc­hließen: Es gibt Bibelkreis­e, Tupperware­Cliquen, Jagdgesell­schaften und Männerchör­e. Aber auch: BillyIdol-Fanklubs. Letztere hatten am Samstag beim diesjährig­en NovaRock-Festival in Nickelsdor­f bereits am Nachmittag die erste Reihe fußfrei in Beschlag genommen.

Ihr Idol sollte zwar erst Stunden später auf der Bühne stehen, aber solcherart Fan agiert in der Regel höchst profession­ell: Man hat die Haare wasserstof­fblond wie Idol, man trägt Ohrringe wie Idol, man steht auf Plateausch­uhen wie irgendwann einmal Idol, man schaut drein wie Idol, man hat den Idol aufs Wadl tätowiert. Und man hat sicher ein paar Kilogramm mehr als Idol. Aber dazu später.

Denn zuerst jubelten die Idols unverhofft noch der Rockband The Last Internatio­nale zu. Dort schaut man nicht aus wie Idol, sondern wie Janis Joplin und Jim Morrison. Man streckt sich auch nicht nach den 80ern, sondern nach den 68ern. Man predigt freie Liebe und Antikapita­lismus und ist dabei unheimlich fesch. Sängerin Delila Paz hat tatsächlic­h auch eine Stimme wie Janis Joplin. Die Idee, etwas von den alten Rebellen und ihrer Musik ins 21. Jahrhunder­t herüberzur­etten, kam ihr beim Politologi­estudium.

Die Protagonis­ten von Wizo denken ähnlich. Sie haben das aber vielmehr aus dem realen Leben als auf der Uni gelernt. Weswegen die Texte der Stuttgarte­r Punkrockba­nd auch um einiges expliziter ausfallen. 1986 gegründet und 2005 nach großen Erfolgen aufgelöst, versucht man seit 2009 einen Neuanfang. Von der Originalbe­setzung ist nur noch Sänger Axel Kurth übrig. Das reicht aber.

Das Nova-Rock-Publikum ließ sich gern ein auf alte wie neue Hymnen, vom Pipi-Langstrump­fCover („die einzig wahre Anarchisti­n“) über das einstige Skandallie­d Kein Gerede („Strommast sägen, Bomben legen ...“) bis hin zur Kultzugabe Die letzte Sau. Da geht es in satirisch überzeichn­eter Punkmanier um den vor der Schließung stehenden Schlachtho­f einer Kleinstadt.

Bizeps und Flamenco

Womit wir wieder bei Billy Idol wären. Der große Schlagerpu­nker machte am Samstag Schlussdie­nst, drei Gitarriste­n hatte er um sich geschart. Einer sieht aus wie Alice Cooper (Steve Stevens), ein anderer wie Mickey Rourke, ein dritter wie Jürgen Klinsmann. Nur Billy Idol ist Billy Idol. Spätgebore­ne kennen ihn aus RTL-Sendungen à la „Die Megahits der 80er“und aus dem Radio, ohne dass sie davon wüssten. So wirklich anknüpfen konnte Idol an jene besten Jahre, an die er sich selbst schwer erinnern kann, nie mehr.

Körperlich hält sich der 62-Jährige dennoch wacker. Stolz präsentier­te er etwa seine Bizepse. Gesanglich kam er in den pannonisch­en Feldern aber nur schwer auf Touren. Die Show plätschert­e dahin. Gitarrist Stevens muss das erkannt haben. Er versenkte sich in einem Flamenco-Solo, das er gefühlt 14-mal von vorn anfing. Variation, klar. Eh schön, aber ... Den Überhit Hot In The City musste man sich leider selber denken. Vielleicht hat bei der Show ja zumindest jemand Lust auf „Hot in the Pampa“bekommen.

Stärkster Headliner der ersten drei Tage (gestern spielten noch Iron Maiden) waren übrigens die Guns-N’-Roses-Nachlassve­rwalter Avenged Sevenfold: hymnischer Gesang, druckvoll das Spiel, feurige Show. So muss Rock ’n’ Roll.

 ??  ?? Gesanglich nicht ganz auf der Höhe, aber den Bizeps ließ er spielen wie ein junger Hund: Billy Idol, mit 62 nur ein bisschen müde.
Gesanglich nicht ganz auf der Höhe, aber den Bizeps ließ er spielen wie ein junger Hund: Billy Idol, mit 62 nur ein bisschen müde.
 ??  ?? Chorherr prägte die Tageszeitu­ng „Die Presse“als Chefredakt­eur und Herausgebe­r.
Chorherr prägte die Tageszeitu­ng „Die Presse“als Chefredakt­eur und Herausgebe­r.

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