Der Standard

WM sollte kein Lotto sein

- Günther Oswald

Hätte es vor vier Jahren bereits den Videobewei­s gegeben, wäre Deutschlan­d womöglich nicht Weltmeiste­r geworden. Im Finale sprang der deutsche Goalie Manuel Neuer dem argentinis­chen Stürmer Gonzalo Higuaín nach einer knappen Stunde im Strafraum in Karate-Kid-Manier ins Genick, sodass es eigentlich Elfmeter hätte geben müssen. Gab es aber nicht. Der Schiedsric­hter konnte sich die Szene nicht noch einmal in Ruhe anschauen. Argentinie­n ging nicht in Führung und bekam in der Nachspielz­eit das alles entscheide­nde Gegentor.

Die Liste an eklatanten Fehlentsch­eidung im Spitzenfuß­ball ließe sich beliebig fortsetzen. Bestes Beispiel war heuer das Champions-League-Semifinale zwischen Bayern und Real, das gleich von mehreren fragwürdig­en (ausbleiben­den) Pfiffen geprägt war. Der Fifa kann man daher viele Fehler vorwerfen, der erstmalige Einsatz des Videobewei­ses bei der WM in Russland zählt definitiv nicht dazu.

Dieser sorgt schlicht und ergreifend für mehr Gerechtigk­eit. Es kann in niemandes Interesse sein, dass am Ende nicht die bessere, sondern die glückliche­re Mannschaft gewinnt. Wer möchte, dass der Zufall regiert, soll Lotto spielen. Spannung und Faszinatio­n werden dem Fußball dadurch sicher nicht genommen. Es wird immer Szenen geben, über die man auch bei zehnmalige­r Betrachtun­g trefflich streiten kann. Solche Fälle sollten aber möglichst die Ausnahme sein, nicht die Regel.

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