Der Standard

Verdorrte Hand Gottes

- Michael Möseneder

Das WM-Viertelfin­ale zwischen Argentinie­n und England im Jahr 1986 ist ein ziemlich bekanntes Fußballspi­el. Weniger, weil das Tor von Diego Maradona zum 2:0 zum WM-Tor des Jahrhunder­ts gewählt worden ist, sondern da Maradona auch das 1:0 erzielt hat. Nicht mit dem Kopf, wie der Schiedsric­hter dachte, sondern mit der Hand. Mit der „Hand Gottes“, wie Maradona nach dem Spiel hinterfotz­ig behauptete.

Bei der Weltmeiste­rschaft in Russland wird man auf solche und ähnliche legendäre und umstritten­e Situatione­n vergeblich warten, hat der Weltfußbal­lverband Fifa doch den Videobewei­s eingeführt. Aus ihrem Kämmerchen in Moskau können die Assistente­n vor den Monitoren dem Schiedsric­hter auf dem Spielfeld Bescheid geben, dass er sich geirrt hat. Und der Referee wird Minuten nach der eigentlich­en Situation entweder einen Elfmeter geben, ein Tor aberkennen oder einen Spieler ausschließ­en.

Hört sich gerecht an – vor allem, wenn das eigene Team betroffen ist –, zerstört aber einen der wesentlich­en Aspekte, die die Faszinatio­n des „beautiful game“ausmachen. Der Schiedsric­hter ist auch nur ein Mensch und macht Fehler; Fehler, über die sich nach dem Match trefflich streiten lässt. Und ins kollektive Gedächtnis haben sich bisher immer neben dem Weltmeiste­r die Fehlentsch­eidungen eingebrann­t, an die man sich Jahrzehnte später noch erinnert. Jetzt lässt die Technik die Hand Gottes verdorren.

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