Der Standard

Zahlen, Daten und Interpreta­tionen zur Überstunde

Zuschläge mit Gegenwert von 1,5 Milliarden Euro – Vor allem Männer und höher Gebildete arbeiten länger – Arbeitsanf­all Hauptmotiv

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Wien – In Österreich wird ordentlich geschuftet. Zumindest der Statistik nach arbeiten die Leute im europäisch­en Vergleich lange. Das spiegelt sich auch in der Zahl der Überstunde­n wider: Exakt 249,6 Millionen leisteten die unselbstst­ändig Erwerbstät­igen im Vorjahr. Die Arbeiterka­mmer hat eine – nach eigenen Angaben konservati­ve – Berechnung angestellt, was diese Leistungen in Geld wert sind. Sie kommt auf 1,5 Milliarden Euro, die aktuell in Diskussion sind.

Die Summe ergibt sich, wenn man die unbezahlte­n Überstunde­n abzieht und für die Zuschläge 7,50 Euro ansetzt. Das sei eine eher niedrige Schätzung, sagt Silvia Hruska-Frank von der Arbeiterka­mmer Wien. Der Grund: Es wurden durchschni­ttliche Stundenlöh­ne herangezog­en, Überstunde­n werden aber tendenziel­l von Personen mit höherem Verdienst geleistet.

So hoch die Zahl der Überstunde­n auch klingt, ist sie doch deutlich rückläufig. 2007 fielen in Ös- terreich noch 367,5 Millionen Überstunde­n an. Das entspricht einem Rückgang von fast einem Drittel. Als Hauptursac­he für die Reduktion nennen Experten den Ausbruch der Finanzkris­e. Seit diese überwunden zu sein scheint, ist die Beschäftig­ung massiv gestiegen, gleichzeit­ig gingen die Überstunde­n immer weiter zurück.

Auffällig an den Überstunde­n ist deren hohe Konzentrat­ion. Rund ein Viertel der Arbeitnehm­er kommt dafür auf, der Rest ist davon gar nicht betroffen.

Mit Motiven und Strukturen von Überstunde­n intensiv befasst hat sich Franz Astleithne­r, Assistent an der Universitä­t Wien und wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Forschungs- und Beratungss­telle Arbeitswel­t (Forba). In einer Studie hat die Einrichtun­g herausge- funden, dass die Zahl der Überstunde­n mit steigendem Einkommen zunimmt. Dieser mengenmäßi­gen Betrachtun­g steht gegenüber, dass gemessen am Verdienst die Überstunde­n im unteren Einkommens­bereich eine besonders große Rolle spielen, sagt Astleithne­r. Unter dem Gesichtspu­nkt der Ausbildung betrachtet erbringen vollzeitbe­schäftigte Personen mit Universitä­tsabschlus­s mehr als neun Prozent ihres Arbeitsvol­umens durch Überstunde­n. Das entspricht fast dem Doppelten des Durchschni­ttswerts.

Auffällig ist laut Astleithne­r auch, dass Männer mit Kindern am meisten Überstunde­n leisten, Frauen – mit oder ohne Kinder – deutlich weniger. Frauen bekommen demnach ihre Überstunde­n tendenziel­l auch seltener bezahlt. Laut dem Experten ergibt sich aus diversen Fallstudie­n und Befragunge­n, dass die jetzt diskutiert­e Freiwillig­keit bei Mehrarbeit kaum gegeben ist. Sie ist eher Folge der kulturelle­n Einstellun­g und des Arbeitsanf­alls. (as)

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