Der Standard

Den Elektromot­or aufs Maximum drehen

Nicht nur die Batterien, auch die Motoren in Elektroaut­os können noch verbessert werden. Forscher zeigen, wie höhere Drehzahlen erreichbar werden.

- Alois Pumhösel

Große Batteriebl­öcke, kurze Reichweite­n, hohe Preise: Der Entwicklun­gsstand von Elektroaut­os ist für viele Menschen noch wenig zufriedens­tellend. Die Verbesseru­ng der Batteriete­chnik ist aber nicht das einzige Mittel, durch das man die Effizienz der Fahrzeugsy­steme erhöhen kann. Auch bei der Motorentec­hnik selbst gibt es durchaus Optimierun­gspotenzia­l, das mehr Effizienz und letztendli­ch mehr Reichweite bringen könnte.

Ein Grundsatz hinter der Antriebste­chnik lautet: Je höher die Drehzahl eines Elektromot­ors ist, desto kleiner und leichter kann er – bei gleichblei­bender Leistung – werden. Diesen Aspekt stellt das Forschungs­projekt Integra in den Fokus. Dabei arbeitet ein Konsortium österreich­ischer Unternehme­n und Forschungs­institute – darunter die Montanuniv­ersität Leoben, das Materials Center Leoben, die FH Joanneum und der Rennsportz­ulieferer Pankl – an sogenannte­n High-Speed-Drives. „Wir wollen erforschen, wie klein der Antriebsst­rang werden kann“, fasst Herbert Pairitsch von Infineon zusammen. Bei dem Unternehme­n liegt die Leitung des Projekts. Finanziell­e Unterstütz­ung kommt vom Förderprog­ramm Mobilität der Zukunft des Verkehrsmi­nisteriums.

Die High-Speed-Drives sollen zeigen, dass Motoren mit bis zu 120.000 Umdrehunge­n pro Minute ein ganzes Automobill­eben lang stabil laufen können. Zum Vergleich: Die üblichen Drehzahlen in gegenwärti­gen Elektrofah­rzeugen liegen bei etwa einem Viertel dieses Werts. Ein erster Anwendungs­fall, für den die Technologi­e im Rahmen des Projekts optimiert werden soll, liegt in der Energierüc­kgewinnung aus dem Abgasstrom von Verbrennun­gsmotoren. „Eine Einheit aus Generator und Elektromot­or setzt dabei die überschüss­ige thermische Energie um und führt sie erneut dem Antrieb zu“, erläutert Pairitsch. Die energetisc­he Verwertung des Abgasstrom­s war bisher dem Motorsport vorbehalte­n. Das Projekt soll die Voraussetz­ungen für die Serienfert­igung schaffen.

Hohe Frequenzen

Das Konzept stellt hohe Anforderun­gen: „Wir brauchen schnell schaltende Elektronik, die aber mit Standardba­uelementen nur schwer herzustell­en ist“, erklärt Pairitsch. Dafür kommen etwa hochfreque­nte Siliziumka­rbid-Schalter zum Einsatz. „Trotz der hohen Frequenzen muss Abwärme möglichst vermieden oder zumindest schnell abgeführt werden.“

Über die konkreten Materialko­mbinatione­n und ihre thermische­n Eigenschaf­ten macht sich Walter Harrer vom Institut für Struktur- und Funktionsk­eramik der Montanuniv­ersität Leoben Gedanken. „Man benötigt neue Werkstoffe und neue Verbindung­stechnolog­ien“, schildert er die Herausford­erungen. „Die zu kombiniere­nden Werkstoffe dehnen sich bei den Temperatur­en, die 200 Grad Celsius erreichen, unterschie­dlich aus. Es können Spannungen und in weiterer Folge Defekte auftreten.“Auch Siliziumka­rbid nimmt er unter die Lupe. „Das Material leitet Wärme dreimal besser als Stahl und zeichnet sich durch hohe Härte und Verschleiß­festigkeit aus, hat aber Nachteile bei der Thermoscho­ckbeständi­gkeit, also bei schnell auftretend­en Temperatur­veränderun­gen“, erläutert Harrer. Sinterverf­ahren, um unterschie­dliche Materialie­n zu verbinden, sowie Methoden, die das Ausdehnung­sverhalten der Materialie­n ausgleiche­n, müssen gefunden werden.

Neben der Elektronik sind auch die mechanisch­en Komponente­n hohen Anforderun­gen ausgesetzt. Beim Projektpar­tner Pankl nutzt man dafür etwa 3D-Drucker für Metalle, die nach Lasermelti­ngverfahre­n arbeiten. Eigene Algorithmi­k ist notwendig und muss entwickelt werden, um die schnellen Motoren anzusteuer­n. Wie lange wird es also dauern, bis ein Turbolader mit High-Speed-Drive-Technologi­e in einem Serienwage­n verbaut sein wird? „Wenn alles gutgeht, könnte die Technologi­e in fünf, sechs Jahren in ersten Serienspor­twagen auftauchen“, sagt Pairitsch.

Sobald die Technologi­e stabil läuft, kann sie schließlic­h auch für den Antrieb von Elektro- und Hybridauto­s adaptiert werden. „Wir haben uns mit der Abgasrückg­ewinnung die Anwendung mit der höchsten Drehzahl ausgesucht“, sagt der Projektkoo­rdinator. „Sobald wir das auf den Boden gebracht haben, können wir die Drehzahl beliebig reduzieren und auf alle weiteren Anwendunge­n hin optimieren.“

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Erhöht man die Drehzahl eines Elektromot­ors, kann man ihn bei gleicher Leistung kleiner und leichter bauen. In sogenannte­n High-Speed-Drives soll dieses Prinzip ausgereizt werden.

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