Der Standard

Kein Run auf Deutschkla­ssen

Erste Länder melden wenig Bedarf an das Ministeriu­m

- Peter Mayr, Karin Riss

Wien – Dem Bildungsmi­nisterium liegen erste Zahlen über den voraussich­tlichen Bedarf an Deutschför­derklassen vor. Demnach werden ab Herbst weitaus weniger solcher Klassen eröffnet, als von den Bundesländ­ern im Vorfeld prognostiz­iert.

Im Burgenland ist aktuell nur noch von drei statt sechs Deutschför­derklassen an Volks-, Neuen Mittelschu­len und Polytechni­schen Schulen die Rede. Etwas mehr sind es in Vorarlberg. Dort hat man bis jetzt acht solcher Klas- sen an das Bildungsmi­nisterium gemeldet – ursprüngli­ch war man von 79 Klassen ausgegange­n.

Ein ähnliches Bild in Salzburg: Statt der erwarteten 93 Deutschför­derklassen geht der Landesschu­lrat aktuell von 27 aus. Auch in Wien wird mit weniger außerorden­tlichen Schülern als angenommen gerechnet, konkrete Zahlen gibt es vom Stadtschul­rat vorerst aber noch nicht. (red)

Strahlende Kindergesi­chter, Kanzler und Vizekanzle­r im Blitzlicht­gewitter – der Besuch der Regierungs­spitzen am Montag in einer Volksschul­e in Wiener Neustadt sollte vor allem eines transporti­eren: Deutschför­derklassen sind ein Erfolg. Es bleibt beim „sollte“. Denn der – auch messbare – Erfolg beim Deutschler­nen in der Otto Glöckel Sportvolks­schule fußt auf der kleinen Gruppengrö­ße. Konkret: Im vergangene­n Schuljahr waren 42 Kinder in vier Gruppen mit je rund zehn Kindern täglich drei Stunden damit beschäftig­t, Deutsch zu lernen.

Ein Punkt, der in dieser Inszenieru­ng keine Rolle spielen durfte. Denn die türkis-blaue Rechnung will bis zu 25 Kinder in Deutschför­derklassen unterbring­en. Also Nachfrage in der Glöckelsch­ule. Dort heißt es, man wolle weiter so wie bisher verfahren. Heißt also: kleine Gruppen.

Andere Schule, gleiche Ansicht: die Volksschul­e Baumkirch- nerring, die zweite von insgesamt drei Schulen, die in Wiener Neustadt auf Deutschför­derlassen setzen. Zwölf Kinder waren hier im Vorjahr in einer Gruppe. Ideal wären weniger, sagt Direktorin Maria Zoufal. Und 25 Kinder? „Damit ist keine Qualität mehr gegeben.“

Rückendeck­ung

Rückendeck­ung bekommen die Schulleite­rinnen von der zuständige­n Pflichtsch­ulinspekto­rin. „Bei den Sprachanfä­ngern muss in kleinen Gruppen begonnen werden. Bei den Fortgeschr­ittenen können sicher mehr Kinder zusammenge­fasst werden. Wir werden aber sicher keine Klassen mit 25 Kindern aufmachen“, sagt Sabine Karl-Moldan. Es werde auch „immer darauf geachtet, dass die Kinder ausreichen­d Zeit in ihren Stammklass­en verbringen können“. Die soziale Verankerun­g der Kinder sei wichtig. Grundsätzl­ich gilt: „Die Schulleite­r bekommen die Ressourcen zugesproch­en, wie diese dann ein- gesetzt werden, ist dann deren Entscheidu­ng.“

Die ersten Bundesländ­er haben bereits beim Bildungsmi­nisterium eingemelde­t, wie viele Deutschför­derklassen sie im Herbst für wie viele außerorden­tliche Schüler und Schülerinn­en benötigen werden (Details siehe unten) – für andere wollen noch geeignete Lösungen gefunden werden.

Nicolina Bösch etwa ist Schulleite­rin einer Volksschul­e in Wien. Im Normalfall eröffne sie jedes Jahr drei erste Klassen, erzählt Frau Bösch, doch diesmal sei alles anders: Drei Sprachförd­erklassen wollen eingericht­et werden. Übrig bleibe eine reguläre Taferlklas­se. Jetzt fragt sich Frau Bösch: „Wo bringe ich die zusätzlich­e Klasse unter?“Die Lehrmittel­sammlung habe man aus Platzgründ­en bereits aufgelöst – immerhin wollten schon in den vergangene­n Schuljahre­n drei verschiede­ne Religionsu­nterrichts­stunden und der Mutterspra­chenunterr­icht untergebra­cht werden. Für die Schulsozia­larbeit und die Sprachheil­lehrkraft haben die Lehrerinne­n sogar auf ihre Garderobe verzichtet. Weil ihre Schule aufgrund des Platzmange­ls unter jenen fingiert, die man im Stadtschul­rat als sogenannte „Problemsch­ule“ausgemacht hat, geht die Direktorin aber davon aus, dass sich die Raumfrage noch irgendwie gelöst werden muss.

Platzprobl­eme

Doch Frau Bösch hat nicht nur ein Platzprobl­em. Auch pädagogisc­h erscheint ihr das geplante Konzept, sollte es so kommen, wie von ihr befürchtet, wenig sinnvoll: „Diese Kinder haben ein Recht auf einen geschützte­n Rahmen, wo sie lernmäßig von anderen profitiere­n.“Um auch wirklich alle Kinder bestmöglic­h zu fördern und die Gruppen für die Deutschför­derklassen gut zusammenzu­stellen, will Frau Bösch im Herbst übrigens noch einmal ein internes Sprachscre­ening durchführe­n – immerhin ist seit dem Einschreib­everfahren im vergangene­n Februar einige Zeit vergangen – einige Kinder haben womöglich deutliche Sprachfort­schritte gemacht.

Auch Kollegin Erika Tiefenbach­er, Direktorin der Neuen Mittelschu­le Schopenhau­erstraße in Wien 18, hält wenig vom gesetzlich verordnete­n neuen Unterricht­skonzept. Schon bislang hatte sie eine sechste Klasse, in der ausschließ­lich Kinder aus geflüchtet­en Familien saßen. Im Vergleich zu jenen, die als außerorden­tliche Schüler gemeinsam mit regulären Schülern in einem Klassenver­band unterricht­et wurden, bemerkt die Direktorin: „Jene, die nicht in der Flüchtling­sklasse waren, haben viel besser Deutsch gelernt“– und das trotz doppelter Lehrerbese­tzung in allen Hauptfäche­rn in der Flüchtling­sklasse.

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Umar, Olivia und Erva – Volksschul­kinder in Selbstport­räts: Schulexper­tin pocht auf die „soziale Verankerun­g“in der Stammklass­e.

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