Der Standard

Androsch im BND-Visier

Der Geheimdien­st BND überwachte Forscher, Universitä­ten und die Firma des Ex-Finanzmini­sters

- Fabian Schmid, Markus Sulzbacher

Der deutsche Geheimdien­st BND überwachte neben Forschern und Universitä­ten auch die Firma des Ex-Finanzmini­sters.

Wien, Graz – Gerhard Kostner kann auf eine erfolgreic­he Karriere als Wissenscha­fter zurückblic­ken: 1966 begann der Biochemike­r als Assistenzp­rofessor an der Universitä­t Graz, es folgten Stationen als Abteilungs­leiter und Institutsv­orstand – und eine Aufnahme in die Liste der Spähziele des deutschen Bundesnach­richtendie­nstes in Österreich. Dabei forscht Kostner in einem Bereich, der Geheimdien­ste nicht sonderlich interessie­rt: Er untersucht den menschlich­en Stoffwechs­el und konzentrie­rt sich vor allem auf die Krankheit Atheroskle­rose, also Arterienve­rkalkung. Warum interessie­rte sich also der BND ab Mai 2000 für Kostner?

Eine Antwort darauf könnte in seinem Privatlebe­n liegen: Kostners Frau stammt aus dem Iran, wie er im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Außerdem betreute Kostner ein Programm für ausländisc­he Stipendiat­en. „Ich hatte Kontakte nach China, Indien, zur ganzen übrigen Welt“, so Kostner. Tausende Personen habe er so kennengele­rnt.

Auch Peter Sturm von der Technische­n Universitä­t Graz hatte Kontakte in den Iran. Er forscht im Bereich Untertageb­au, hat also viel Expertise im Tunnelbau. Dazu beriet er vor einigen Jahren ein Infrastruk­turprojekt im Iran. Doch Sturm landete schon vorher auf der Liste: Seine E-Mail-Adresse wurde ebenfalls ab Mai 2000 vom deutschen BND ausgespäht. Damals war Sturm Mitglied bei der National Fire Protection Agency, einer US-Organisati­on, die sich mit Brandschut­z beschäftig­t.

Während Biochemike­r Kostner die Überwachun­g „relativ gleichgült­ig“ist, stört sich Sturm daran: „Es ist ein Eindringen in meine Privatsphä­re, ein Überwachen der Kontakte auf privater wie universitä­rer Ebene.“Er wundert sich, dass die deutschen Agenten „nichts anderes zu tun haben“.

„Wenn man ausländisc­he Stipendiat­en hat, die ganz ausgefalle­ne Wissensric­htungen in Österreich studieren, dann kann es durchaus sein, dass diese Studenten aus dem Ausland eine Zielrichtu­ng sind“, sagte Verfassung­sschutz-Chef Peter Gridling diese Woche dem STANDARD.

Spionage für die NSA

Der BND nahm in seiner Spähliste, die STANDARD und Profil exklusiv vorliegt, eine ganze Reihe von Forschungs­einrichtun­gen ins Visier. Neben der TU Graz wurden etwa auch die TU Wien, gesondert deren Institut für chemische Technologi­e, die Uni für Veteri- närmedizin in Wien, die DonauUnive­rsität Krems und die Uni Graz ausgespäht. Dazu kommen außerunive­rsitäre Forschungs­einrichtun­gen.

Da sich die TU Graz einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch in der Liste findet, kann davon ausgegange­n werden, dass der BND die Universitä­t auch im Auftrag der US-amerikanis­chen NSA ausspionie­rt hat.

Androsch „schmunzelt“

Politiker finden sich auf der Liste zwar nicht, dafür aber die Firma eines Ex-Politikers: nämlich die AIC GmbH, die ab Dezember 2000 abgehört wurde. Ihr Gründer ist mit Ex-Finanzmini­ster und SPÖ-Doyen Hannes Androsch einer der wichtigste­n heimischen Unternehme­r. „Abgehört wurde ich schon von der DDR, vom tschechosl­owakischen Geheimdien­st und von der eigenen Staatssich­erheit. Da kann ich über diese Nachricht nur noch schmunzeln“, sagt Androsch zum Profil, das gemeinsam mit dem STANDARD die Liste der 2000 Ziele in Österreich enthüllt hatte. „Ein freundscha­ftlicher Akt ist das aber nicht“, so Androsch. Für sein Unternehme­n wird auch ein Telex-Anschluss ausgewiese­n, die Firma will ein derartiges Gerät aber nie besessen haben. Das ist kein Einzelfall: Immer wieder zeigen Recherchen Unschärfen in der Liste. Das dürfte an der Systematik beim BND liegen, wo einzelne Abhörstati­onen selbststän­dig Ziele suchten.

Die Recherchen werden nächste Woche jedenfalls den Deutschen Bundestag beschäftig­en. Der will prüfen, ob die Überwachun­g noch aktiv ist.

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Der Industriel­le und ehemalige Finanzmini­ster Hannes Androsch wurde auch schon vom Auslandsge­heimdienst der DDR ausgespäht.

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