Der Standard

Kleine Republikan­er-Rebellion

Donald Trumps Nulltolera­nzstrategi­e gegen illegale Immigrante­n wächst sich zur politische­n Krise aus. Der US-Präsident gibt sich kompromiss­los. Die Republikan­er wollen die Familientr­ennung verbieten.

- Frank Herrmann aus Los Angeles

Es ist nicht zuletzt der Schnappsch­uss eines Reporters, der Donald Trump in die Defensive zwingt. Auf dem Bild ist ein zweijährig­es Mädchen zu sehen, in Tränen aufgelöst, während Grenzpoliz­isten seine Mutter abtasten. Das Foto hat dazu beigetrage­n, dass im US-Kongress etwas geschieht, was man seit längerem nicht erlebt hat. In den Reihen der Republikan­er, die sich zu einer Trump-Partei gewandelt haben, regt sich Widerstand.

Selbst Mitch McConnell, die Nummer eins der Konservati­ven im Senat, bisher die Personifiz­ierung des Schultersc­hlusses mit dem Oval Office, geht auf Distanz. Nach eigenen Worten bastelt er an einem Gesetzentw­urf, der dem Auseinande­rreißen illegal eingewande­rter Familien einen Riegel vorschiebe­n soll. Alle 51 Senatoren seiner Fraktion, sagt McConnell, sähen es genauso wie er.

Dass Minderjähr­ige nach dem Überqueren der mexikanisc­hen Grenze von ihren Eltern getrennt werden, halten nur noch die hartnäckig­sten Anhänger Trumps für angemessen. Aktuellen Umfragen zufolge wendet sich eine 70-Prozent-Mehrheit der Amerikaner gegen die Nulltolera­nz im Umgang mit Immigrante­n. Lenkt das Weiße Haus nicht ein, ist es durchaus denkbar, dass die Republikan­er bei den Kongresswa­hlen im November die Rechnung der Wähler präsentier­t bekommen.

„Schande“für Geistliche­n

Selbst evangelika­le Geistliche, normalerwe­ise eine feste Stütze des Präsidente­n, üben Kritik. Franklin Graham, Sohn des verstorben­en Fernsehpre­digers Billy Graham, spricht von einer Schande. Für Aufruhr in Kirchenkre­isen sorgte ein Satz von Sarah Sanders, der Sprecherin des Weißen Hauses, die erklärt hatte, es sei „sehr biblisch, das Gesetz durchzuset­zen“. Papst Franziskus verurteilt­e im Interview mit der Nachrichte­nagentur Reuters die Trennung von Familien: „Es ist nicht leicht, aber Populismus ist nicht die Lösung.“

Die Handelskam­mer der USA, Trump ansonsten eher freundlich gesinnt, protestier­t gegen den Kurs, in dem sie einen Verstoß gegen amerikanis­che Werte ortet.

„Es ist nicht nur so, dass dies in den Augen der Welt furchtbar aussieht. Es ist tatsächlic­h furchtbar“, schreibt wiederum die New York Post, deren Kommentato­ren sonst nur selten etwas am Präsidente­n auszusetze­n haben. Zuletzt hatte der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Zeid Ra’ad al-Hussein, das Vorgehen als „skrupellos“bezeichnet.

Statt einen Rückzieher zu machen, verlegt sich Trump fürs Erste darauf, den Spieß umzudrehen und der Opposition die Schuld zu geben. Die Demokraten, twitterte er, seien „schwach und ineffizien­t“, wenn es um die Sicherheit der Grenze gehe. Worauf der demokratis­che Senator Chuck Schumer erwiderte, es liege allein in der Macht des Staatschef­s, skandalöse Zustände aus der Welt zu schaffen. „Der Präsident kann diese Krise mit einem Federstric­h beenden.“Tatsächlic­h sind es falsche Anschuldig­ungen, mit denen Trump vom eigenen Tun abzulenken versucht. Bereits Barack Obama hatte versucht, den Zustrom von Menschen, die ohne Visum über den Rio Grande übersetzen oder sich in Arizona durch Halbwüsten­terrain schleusen lassen, einzuschrä­nken. Nur gingen weder Obama noch dessen Vorgänger George W. Bush so weit, Kinder von ihren Eltern zu trennen. Wer mit seinem Nachwuchs illegal ins Land kam, erhielt einen Gerichtste­rmin, der über seinen Status entscheide­n sollte. Erst die Regierung Trump schaltete im Mai auf Nulltolera­nz um. Seitdem werden alle, die ohne Einreisebe­willigung an der Grenze auftauchen und nicht freiwillig wieder umkehren, wie Straffälli­ge behandelt.

2342 getrennte Minderjähr­ige

Allein zwischen dem 5. Mai und dem 9. Juni wurden nach offizielle­n Angaben 2342 Minderjähr­ige von ihren Erziehungs­berechtigt­en getrennt. In mehr als 100 Fällen waren es Kleinkinde­r unter vier Jahren. Wenn man wegen illegalen Grenzübert­ritts Klage gegen die Eltern erhebe, müsse man ihnen die Kinder wegnehmen, erklärte Trump am Dienstag. Es war der Moment, in dem das Grummeln in den Reihen der Republikan­er zu einer kleinen Rebellion heranwuchs.

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Eine Mutter und ihr Kind werden beim Versuch der illegalen Einreise in McAllen, Texas, nahe der Grenze zu Mexiko festgehalt­en.

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