Kleine Republikaner-Rebellion
Donald Trumps Nulltoleranzstrategie gegen illegale Immigranten wächst sich zur politischen Krise aus. Der US-Präsident gibt sich kompromisslos. Die Republikaner wollen die Familientrennung verbieten.
Es ist nicht zuletzt der Schnappschuss eines Reporters, der Donald Trump in die Defensive zwingt. Auf dem Bild ist ein zweijähriges Mädchen zu sehen, in Tränen aufgelöst, während Grenzpolizisten seine Mutter abtasten. Das Foto hat dazu beigetragen, dass im US-Kongress etwas geschieht, was man seit längerem nicht erlebt hat. In den Reihen der Republikaner, die sich zu einer Trump-Partei gewandelt haben, regt sich Widerstand.
Selbst Mitch McConnell, die Nummer eins der Konservativen im Senat, bisher die Personifizierung des Schulterschlusses mit dem Oval Office, geht auf Distanz. Nach eigenen Worten bastelt er an einem Gesetzentwurf, der dem Auseinanderreißen illegal eingewanderter Familien einen Riegel vorschieben soll. Alle 51 Senatoren seiner Fraktion, sagt McConnell, sähen es genauso wie er.
Dass Minderjährige nach dem Überqueren der mexikanischen Grenze von ihren Eltern getrennt werden, halten nur noch die hartnäckigsten Anhänger Trumps für angemessen. Aktuellen Umfragen zufolge wendet sich eine 70-Prozent-Mehrheit der Amerikaner gegen die Nulltoleranz im Umgang mit Immigranten. Lenkt das Weiße Haus nicht ein, ist es durchaus denkbar, dass die Republikaner bei den Kongresswahlen im November die Rechnung der Wähler präsentiert bekommen.
„Schande“für Geistlichen
Selbst evangelikale Geistliche, normalerweise eine feste Stütze des Präsidenten, üben Kritik. Franklin Graham, Sohn des verstorbenen Fernsehpredigers Billy Graham, spricht von einer Schande. Für Aufruhr in Kirchenkreisen sorgte ein Satz von Sarah Sanders, der Sprecherin des Weißen Hauses, die erklärt hatte, es sei „sehr biblisch, das Gesetz durchzusetzen“. Papst Franziskus verurteilte im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters die Trennung von Familien: „Es ist nicht leicht, aber Populismus ist nicht die Lösung.“
Die Handelskammer der USA, Trump ansonsten eher freundlich gesinnt, protestiert gegen den Kurs, in dem sie einen Verstoß gegen amerikanische Werte ortet.
„Es ist nicht nur so, dass dies in den Augen der Welt furchtbar aussieht. Es ist tatsächlich furchtbar“, schreibt wiederum die New York Post, deren Kommentatoren sonst nur selten etwas am Präsidenten auszusetzen haben. Zuletzt hatte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad al-Hussein, das Vorgehen als „skrupellos“bezeichnet.
Statt einen Rückzieher zu machen, verlegt sich Trump fürs Erste darauf, den Spieß umzudrehen und der Opposition die Schuld zu geben. Die Demokraten, twitterte er, seien „schwach und ineffizient“, wenn es um die Sicherheit der Grenze gehe. Worauf der demokratische Senator Chuck Schumer erwiderte, es liege allein in der Macht des Staatschefs, skandalöse Zustände aus der Welt zu schaffen. „Der Präsident kann diese Krise mit einem Federstrich beenden.“Tatsächlich sind es falsche Anschuldigungen, mit denen Trump vom eigenen Tun abzulenken versucht. Bereits Barack Obama hatte versucht, den Zustrom von Menschen, die ohne Visum über den Rio Grande übersetzen oder sich in Arizona durch Halbwüstenterrain schleusen lassen, einzuschränken. Nur gingen weder Obama noch dessen Vorgänger George W. Bush so weit, Kinder von ihren Eltern zu trennen. Wer mit seinem Nachwuchs illegal ins Land kam, erhielt einen Gerichtstermin, der über seinen Status entscheiden sollte. Erst die Regierung Trump schaltete im Mai auf Nulltoleranz um. Seitdem werden alle, die ohne Einreisebewilligung an der Grenze auftauchen und nicht freiwillig wieder umkehren, wie Straffällige behandelt.
2342 getrennte Minderjährige
Allein zwischen dem 5. Mai und dem 9. Juni wurden nach offiziellen Angaben 2342 Minderjährige von ihren Erziehungsberechtigten getrennt. In mehr als 100 Fällen waren es Kleinkinder unter vier Jahren. Wenn man wegen illegalen Grenzübertritts Klage gegen die Eltern erhebe, müsse man ihnen die Kinder wegnehmen, erklärte Trump am Dienstag. Es war der Moment, in dem das Grummeln in den Reihen der Republikaner zu einer kleinen Rebellion heranwuchs.