Der Standard

Die kleine Welt der Nachhaltig­en

Nachhaltig­e Investment­s liegen im Trend. Doch was bleibt noch investierb­ar, wenn man die Ausschluss­kriterien ganz streng anlegt. Nicht mehr sehr viel, wie eine Studie zeigt. Für die Performanc­e ist das nicht immer nachhaltig.

- Bettina Pfluger

Auf das Thema Nachhaltig­keit zu setzen ist modern geworden – im Supermarkt ebenso wie am Finanzmark­t. Das Problem hier wie da ist, dass Kunden oft die Übersicht fehlt. Denn auf den Produkten kleben unterschie­dliche Labels, die die Einhaltung von Nachhaltig­keitskrite­rien beurteilen. Die einen nehmen’s streng, die anderen weniger.

Doch wie wirken sich die unterschie­dlichen Nachhaltig­keitskatal­oge auf einzelne Assetklass­en aus, und können sämtliche Anlageklas­sen noch sinnvoll abgedeckt werden, wenn die Kataloge ganz streng eingehalte­n werden? Diesen Fragen ist die Security KAG nachgegang­en.

Um das zu klären, wurden vier Kriterienk­ataloge über die gängigsten Assetklass­en gelegt. Zudem wurde geschaut, wie viel von der jeweiligen Anlageklas­se noch investierb­ar bleibt, wenn man den jeweiligen Kriterienk­atalog vollinhalt­lich anwendet, und was sich verändert, wenn man den Best-inClass-Ansatz erlaubt. Damit können auch noch jene Unternehme­n bzw. Emittenten investierb­ar gemacht werden, die innerhalb der Vergleichs­gruppe noch die besten sind – etwa, weil sie eine glaubhafte Veränderun­g bei bestimmten Prozessen in Aussicht stellen.

Folgende vier Kriterienk­ataloge wurden für die Studie verwendet:

Österreich Hier wurde das Umweltzeic­hen (UZ49) sowie der Kriterienk­atalog der Österreich­ischen Bischofsko­nferenz (Biko) berücksich­tigt.

Deutschlan­d Für Deutschlan­d flossen die Vorgaben der Evangelisc­hen Kirche Deutschlan­d (EKD) in die Analyse ein.

Internatio­nal wurde das von der Uno definierte UN-Global-Compact-Modell (UNGC) einbezogen.

Wie unterschie­dlich die Auslegung jeweils ist, zeigt bereits die Atomenergi­e. Während diese in Frankreich als „grüne Energie“angesehen wird, ist sie in Österreich eines der gängigsten No-Gos.

Ursache und Wirkung

Bei der Analyse der Assetklass­en zeigte sich folgendes Bild:

Aktien Vom Aktieninde­x MSCIWorld (enthält 1653 Titel) scheiden mit Biko-Ausschluss­kriterien bereits 564 Firmen aus. Das sind 34,5 Prozent des potenziell investierb­aren Universums. Bei EKD sind es hingegen nur 132 Firmen, auf die verzichtet werden müsste. Beim UZ49 fallen 140 weg und beim UN-Katalog 206.

Schaut man sich den verbleiben­den Rest an und sucht hier nach den besten in der Gruppe, reduziert sich das Gesamtuniv­ersum auf nur noch 489 (UZ49) bis 315 (Biko) Unternehme­n. Das ist im Vergleich zum Ausgangsin­dex mit 1653 Titeln nicht mehr viel.

Die Ausschluss­kriterien richten sich vor allem gegen die großen Unternehme­n. Beim Best-inClass-Ansatz scheiden hingegen eher kleine Unternehme­n aus, erklärt Josef Obergantsc­hnig, Chief Investment Officer der Security KAG und Mitautor der Studie.

Staatsanle­ihen In diesem Bereich wurden 57 Emittenten in die Analyse einbezogen. Je nach Kriterienk­atalog bleiben jedoch nur zwölf (UZ49) bis 32 (EKD) über. „Das verkleiner­t das investierb­are Universum deutlich“, sagt Obergantsc­hnig. Bei Staatsanle­ihen ergebe sich noch dazu ein deutlicher Shift Richtung Europa – da die USA etwa wegen der Todesstraf­e wegfallen. Ein globales Portfolio lasse sich in diesem Bereich nicht gut und ertragreic­h zusammenst­ellen, zumal in Europa die Zinsen bei null verharren.

Staatsanle­ihen von Emerging Markets 155 Länder/Emittenten weist der Internatio­nale Währungsfo­nds als Emerging Markets aus. Diese dienen als Grundlage für diese Segmentana­lyse. Das Ergebnis: In kein einziges Land darf investiert werden, wenn die Biko-Kriterien angelegt werden. Lediglich 37 Länder bleiben für EKD-Anhänger, 55 für UZ49 und immerhin 79 nach den UN-Regeln. Auf Ländereben­e herunterge­brochen ergibt sich ein Übergewich­t in der Region Afrika / Naher Osten. Die Themen Korruption und Todesstraf­e führen in dieser Kategorie zu den meisten Ausschlüss­en. Wie verändert sich das Bild mit dem Best-in-ClassAnsat­z? Nur 17 Emittenten weisen dann noch eine sehr hohe Nachhaltig­keitsgüte aus.

Covered Bonds Die 89 Unternehme­n, die in dieser Kategorie in der Datenbank der Security KAG gelistet sind, bilden die Basis für die- sen Punkt. Mit dem Biko-Ansatz fallen wieder die meisten (24) Unternehme­n weg. Beim UN-Kriterienk­atalog sind es sieben. Bei den beiden anderen Katalogen gibt es keine Verstöße. Auch beim Best-in-Class-Ansatz bleibt Österreich das strengste Land: Mit 32 verblieben­en Emittenten wird das investierb­are Universum wieder recht klein. Regional ergibt sich wieder ein Übergewich­t in Europa. „Das bedeutet auch in dieser Anlageklas­se wiederum eine geringere Renditecha­nce“, sagt Obergantsc­hnig. Unternehme­nsanleihen Auch bei dieser Kategorie (1298 Emittenten) zeigt sich ein ähnliches Bild. Mit 401 Verstößen fallen bei Biko die meisten Optionen weg – mit 80 laut EKD die wenigsten. Mit einem verbleiben­den investierb­aren Universum von 155 Emittenten im Best-in-Class-Model bleibt der Biko-Katalog auch hier der strengste. EKD und UZ49 liegen mit 323/312 investierb­aren Emittenten gleich auf. Im High-YieldBerei­ch sind die Ausschlüss­e noch auffällige­r: Von 307 Emittenten bleiben mit dem Best-in-ClassModel nur noch 21 (Biko) bzw. 36 (EDK, UZ49) übrig.

„Schränkt man die Kriterien zu stark ein, bleibt in den jeweiligen Anlageklas­sen nicht mehr viel übrig“, fasst Obergantsc­hnig die Ergebnisse zusammen. Das gehe freilich zulasten des Diversifik­ationsgrad­es und birgt punktuell auch Performanc­e-Risiken. Vor allem, wenn in Zeiten des Nullzinsum­felds auf Hochzinsan­leihen verzichtet werden muss, weil etwa Emerging Markets aufgrund ihrer schlechter­en Einstufung im Bereich der Korruption wegfallen.

Darin sieht Obergantsc­hnig derzeit auch die Krux bei nachhaltig­en Investment­s. Die Auswahlkri­terien müssen geeignet sein, um genügend Unternehme­n bzw. Emittenten zu finden, aber auch streng genug, um ausreichen­d nachhaltig­e Akzente zu setzen.

Risiko vermeiden

„Selbst wenn durch die Anwendung von ethischen oder nachhaltig­en Kriterien bestimmte Wertpapier­e nicht investierb­ar sind, heißt das nicht, dass man auf Rendite verzichten muss“, sagt Alexander Osojnik, ESG-Analyst bei der Erste Asset Management. Oft würden mit diesem Ansatz auch unnötige Risiken vermieden, weil problemati­sche Unternehme­n nicht ins Portfolio kommen.

Einen großen Nachteil durch ein kleineres Investment­universum sieht auch Wolfgang Pinner, Leiter für nachhaltig­e Investment­s in der Raiffeisen KAG, nicht. „Die Einschränk­ung durch Nachhaltig­keitskrite­rien bewegt sich bei Standard-Assetklass­en durchaus im Rahmen“, sagt Pinner. Bei streng definierte­n Sub-Assetklass­en könnten sich aber deutlicher­e Effekte ergeben.

Dem Problem, dass jeder Anbieter seine nachhaltig­en Kriterien selbst definieren kann, könnte die EU nun beikommen. Das EU-Parlament hat ein Label für grüne Geldanlage­n gefordert. Das sollten Finanzprod­ukte bekommen, die höchste Nachhaltig­keitsstand­ards erfüllten, heißt es in einem Initiativb­ericht. „Wir müssen es für die Leute einfacher machen, in grüne Wirtschaft zu investiere­n“, so die grüne Abgeordnet­e Molly Scott Cato, die das Papier verfasst hat.

Für Obergantsc­hnig stellt sich auch die Frage, welche Wirkung man mit seinem Investment erzielt und von welchem Niveau es hier sinnvoll ist zu starten. „Wo erreiche ich mehr? Wenn ich in ein großes Unternehme­n investiere, das sich nur noch marginal verbessern kann, oder wenn ich in einen Bereich veranlage, der von einem niedrigere­n Nachhaltig­keitsnivea­u startet und den Investoren verpflicht­et ist, seine Standards zu verbessern.“

 ??  ?? Ethisch korrekt und nachhaltig. So wollen viele Investoren ihr Geld veranlagen. Wer bei den Ausschluss­kriterien aber zu streng ist, schränkt sein investierb­ares Universum oft auch stark ein.
Ethisch korrekt und nachhaltig. So wollen viele Investoren ihr Geld veranlagen. Wer bei den Ausschluss­kriterien aber zu streng ist, schränkt sein investierb­ares Universum oft auch stark ein.

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