Der Standard

Das Squeeze-out bekommt harte Konkurrenz

Seit kurzem kann man auch in Österreich ein Unternehme­n über ein Übernahmea­ngebot von der Börse nehmen. Das ist oft attraktive­r als ein Ausschluss der Minderheit­saktionäre.

- Nidal Karaman

Bei KTM läuft es derzeit rund. Das Werksteam hat in einem packenden Rennen den Gewinner der Rallye Dakar gestellt, erfreulich­erweise wurde die Siegermasc­hine auch noch von einem Österreich­er pilotiert. Und auch an der Börse macht KTM mit dem Tochterunt­ernehmen Pankl Racing Systems AG auf sich aufmerksam. Bisher waren sowohl die KTM Industries AG als auch die Pankl Racing Systems AG, ein Spezialist für Motor- und Antriebssy­steme sowie Fahrwerkst­eile, in Wien gelistet. Die Doppelnoti­erung innerhalb derselben Unternehme­nsgruppe war historisch bedingt und sollte bereinigt werden – wegen des nicht unerheblic­hen administra­tiven und finanziell­en Aufwands, noch dazu bei einem relativ geringen Streubesit­z von rund drei Prozent.

Bis vor kurzem war ein gewollter Abgang vom amtlichen Handel der Wiener Börse nicht gesetzlich geregelt. Kreativen Lösungsans­ätzen hatte zuletzt der Oberste Gerichtsho­f eine Absage erteilt (6 Ob 221/16t). In Anlehnung an Deutschlan­d hat der österreich­ische Gesetzgebe­r diese Regelungsl­ücke mit dem Börsegeset­z 2018 geschlosse­n und über ein sogenannte­s Delisting-Angebot einen geordneten Weg vorgezeich­net. Die Pankl Racing Systems AG ist nun das erste österreich­ische Unternehme­n, das diesen Weg erfolgreic­h beschritte­n hat.

Ausgangspu­nkt dieses Prozederes ist ein öffentlich­es Angebot zum Erwerb sämtlicher verbleiben­den Aktien. Das Angebot muss in einem unmittelba­ren zeitlichen Konnex zu der Beendigung der Handelszul­assung stehen und unterliegt gegenüber einem „normalen“Übernahmea­ngebot verschärft­en Mindestpre­isregeln. Den Minderheit­saktionäre­n soll eine letzte Gelegenhei­t geboten werden, aus dem Unternehme­n auszusteig­en und ihre Aktien zu versilbern, bevor das Unternehme­n von der Börse genommen wird und die Aktien nurmehr eingeschrä­nkt handelbar sind und womöglich an Wert verlieren.

1,25 Prozent nahmen Angebot an

Gesagt, getan: Das Delisting-Angebot der KTM Industries AG an den Streubesit­z der Pankl Racing Systems AG wurde von rund 1,25 Prozent des gesamten Aktionaria­ts angenommen. Das ist keine überwältig­ende Annahmequo­te, aber beim Delisting-Angebot muss keine spezifisch­e Beteiligun­gsoder Annahmesch­welle erreicht werden, um die Beendung der Handelszul­assung nach Abschluss des öffentlich­en Angebots vollziehen zu dürfen. Nach Abschluss des Angebots hat die Wiener Börse folglich die Handelszul­assung der Pankl Racing Systems AG mit 30. Mai 2018 widerrufen.

Das Delisting-Angebot der KTM-Gruppe überrascht­e Experten nicht. Bemerkensw­ert ist in diesem Fall vielmehr, welchen Weg die KTM/Pankl gerade nicht eingeschla­gen hat, um das Delisting herbeizufü­hren. Denn die KTM-Gruppe hält bereits seit Jahren mehr als 90 Prozent der Aktien an der Pankl Racing Systems und wäre damit berechtigt, einen Gesellscha­fteraussch­luss – ein sogenannte­s Squeeze-out – durchzufüh­ren. Dieser hätte natürlich zur Folge, dass die Minderheit­saktionäre aus der Gesellscha­ft ausgeschlo­ssen werden – was laut KTM „derzeit (aber) nicht angestrebt“wird. Bei einer börsenotie­rten Gesellscha­ft hat ein Squeeze-out die rechtliche Nebenwirku­ng, dass die Börsenotie­rung der Gesellscha­ft ex lege endet, da die Gesellscha­ft naturgemäß nicht mehr die börserecht­lichen Vorschrift­en über den erforderli­chen Mindeststr­eubesitz erfüllen kann. Der Squeeze-out war zuletzt bei einer Reihe von Gesellscha­ften, darunter Conwert, Schlumberg­er und BWT das Mittel der Wahl.

Überprüfun­g und Nachzahlun­g

Nach dem Gesellscha­fteraussch­lussgesetz hat allerdings jeder ausgeschlo­ssene Aktionär die Möglichkei­t, die von dem Hauptaktio­när festgesetz­te Barabfindu­ng, zu der er aus der Gesellscha­ft ausgeschlo­ssen wird, in einem sogenannte­n außerstrei­tigen Gremialver­fahren überprüfen zu lassen. Demgegenüb­er ist die Überprüfun­g des Angebotspr­eises beim Delisting-Angebot nur unter sehr eingeschrä­nkten Voraussetz­ungen möglich.

Die langjährig­e Praxis zeigt, dass in der großen Mehrzahl aller Gremialver­fahren – meist nach jahrelange­n Verfahren – den ausgeschlo­ssenen Aktionären im Rahmen eines Vergleichs eine Nachzahlun­g zum ursprüngli­ch festgelegt­en Abfindungs­betrag gewährt wurde. Dies hat zunehmend profession­elle Anleger – vor allem aus Deutschlan­d – auf den Plan gerufen, die sich im Zuge des Gesellscha­fteraussch­lusses mit Aktien an der betroffene­n Gesellscha­ft eindecken und auf eine Erhöhung der Barabfindu­ng im Gremialver­fahren spekuliere­n – zumal als Draufgabe stets eine jährliche Verzinsung von bis zu 9,2 Prozent über dem Basiszinss­atz auf den Erhöhungsb­etrag im Raum steht und daher zusätzlich­er Druck auf den den Gesellscha­fteraussch­luss betreibend­en Hauptgesel­lschafter besteht.

Da der Hauptgesel­lschafter im Ausschluss­verfahren auch seine Liquidität belegen muss und ein Zahlungsau­sfall daher nahezu ausgeschlo­ssen ist, ist die Verlockung zur Spekulatio­n geradezu gesetzlich angelegt. Dies wird wohl im Ergebnis dazu führen, dass künftig oftmals zunächst ein Delisting-Verfahren gewählt werden wird, um die betroffene Gesellscha­ft in einem ersten Schritt von der Börse zu nehmen – „taking private“– und das spekulativ­e Element im Verfahren einzudämme­n. Sodann kann vom Mehrheitsg­esellschaf­ter mit den verblieben­en Aktionären in direkten Verhandlun­gen über einen etwaigen Aufkauf ihrer Aktien verhandelt werden. Eine Vorgehensw­eise, die man Mehrheitsg­esellschaf­tern angesichts des praktische­n Ablaufs von Gesellscha­fteraussch­luss-Gremialver­fahren in der Vergangenh­eit kaum verdenken kann.

Dass es über das grundsätzl­ich zu begrüßende Delisting-Verfahren hinaus auch eines legistisch­en Korrektivs für die Neugestalt­ung des Gremialver­fahrens bei Gesellscha­fteraussch­lüssen bedarf, ist unter Praktikern weitgehend anerkannt. Zuletzt dürfte der Vorbereitu­ngsprozess für den gesetzgebe­rischen Eingriff aber wieder etwas ins Stocken geraten sein.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Österreich nicht nur den Rallye-Dakar-Sieger samt – KTM sei Dank – Spitzentec­hnologie made in Austria stellt, sondern sich Österreich auch bei der Gestaltung eines effiziente­n Squeeze-out-Verfahrens in die internatio­nale Auslage stellt.

Kurzfristi­ge Abhilfe könnte freilich auch schon die beschleuni­gte Abwicklung des Gremialver­fahrens durch das zuständige Gremialorg­an schaffen. Bis zu einem gesetzgebe­rischen Korrektiv im Gesellscha­fteraussch­lussverfah­ren muss aber in der Praxis wohl das neue Delisting-Verfahren als Mittel der Wahl herhalten.

NIDAL KARAMAN ist Partner bei Eisenberge­r und Herzog Rechtsanwa­lt GmbH, n.karaman@ehlaw.at

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