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Biografisc­he Comics boomen – Drei Neuerschei­nungen zeigen die Bandbreite, von Musik über Sport bis Politik

- Stefan Weiss

Wien – In der Verlagsbra­nche sind sie eine sichere Bank: Biografien, Autobiogra­fien und biografisc­h inspiriert­e Arbeiten. Oft liefern sie dem Leser einen besseren Einblick in Zeiten, Orte und Milieus, als es Fiktion und Sachbuch können. Biografisc­hes bedient aber auch die Lust an der (Selbst-)Entblößung sowie den Voyeurismu­s des Publikums. In jedem Fall gilt ein prominente­r Name als Verkaufsve­hikel.

Im Digitalzei­talter heißt das, dass vermehrt Bücher von Youtubern und Instagrame­rn veröffentl­icht werden. Sie sind oft nicht mehr als spaßige Bastelbüch­er, Millionen Online-Follower greifen dennoch zu. Es ist das Fanprinzip, das zum Tragen kommt. Ähnlich verhält es sich mit biografisc­hen Comics und Graphic Novels. Sie schießen derzeit wie Schwammerl­n aus dem Boden. Arbeiten über Elvis oder Nick Cave (beide von Reinhard Kleist) sind internatio­nale Renner.

In Österreich hat sich Reinhard Trinkler einen Namen gemacht. Er übersetzte Qualtinger­s Herr Karl in Comicbilde­r, widmete sich der Kottan-Saga, Sisi, Falco oder Heinz Fischer. Der Altpräside­nt mit den üppigen Augenbraue­n erzählt darin seine Geschichte der Zweiten Republik.

Drei aktuell erschienen­e Bücher zeigen die Bandbreite der Comic-Bios auf. Sie reicht von Musik über Sport bis hin zur Politik:

Ramones (Knesebeck) In schroffen Schwarz-Weiß-Bildern widmet sich Éric Cartier der 1974 in New York gegründete­n Band, die Punk spielte, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Die Geschichte knüpft sich an das Leben des Ramones-Gründers Douglas Glen Calvin, berühmt-berüchtigt geworden als Dee Dee Ramone.

Erzählt werden Schlüsselm­omente: der vom Krieg psychisch versehrte Vater, der routinemäß­ig Gewalt anwendet und dem Sohn Gründe für seine früh angelegte Heroinabhä­ngigkeit liefert. Das Werden der Band, deren stilprä-

Qgende Hits aus purem Dilettanti­smus entstanden. Oder das Unverständ­nis, das die US-Punker ihren Londoner Artgenosse­n entgegenbr­achten: „Warum haben uns diese Arschlöche­r angespuckt?“– „Weil sie euch bewundern. Das ist hier so.“Authentisc­hes Buch.

Erich Mühsam (Edition Moderne) Im Ansatz ähnlich gelungen ist eine Comic-Bio von Jan Bachmann über Erich Mühsam. Der deutsche Anarchist und satirische Poet wurde 1934 in einem NS-Konzentrat­ionslager ermordet. Bachmann illustrier­t verspielt und bunt Anekdoten aus den Tagebücher­n Mühsams. Deutlich wird hier aber, dass man der immens vielgestal­tigen Persönlich­keit auf knapp 90 Comicseite­n kaum gerecht werden kann.

Reinhold Messner (Knesebeck) Dass bei der inflationä­ren ComicProdu­ktion auch Ausschussw­are entsteht, zeigt Michele Petrucci mit seiner Bio über Bergguru Reinhold Messner. Zeichneris­ch wie inhaltlich ist diese Beweihräuc­herung nicht auf Himalaja-Niveau.

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Verlage bauen auf das Fanprinzip: Ein Comic über die Ramones zieht.

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