Der Standard

Ich drück dich!

Das Waschpulve­r oder das Tierfutter gehen zur Neige? Ein Druck auf den Dash-Button von Amazon, schon wird geliefert. Das soll trägen Konsumente­n den Einkauf erleichter­n. Das Verspreche­n vom komfortabl­en Knopfdruck-Shopping im Test.

- GEDASHT: Nana Siebert

Seit drei Wochen kleben sie an neuralgisc­h wichtigen Punkten in meinem Badezimmer: Fünf etwa daumengroß­e, flache Plastiktei­le mit jeweils einem runden Druckknopf. An der Waschmasch­ine, am Badezimmer­schrank, neben dem Spiegel. Ariel steht darauf, Oral-B, Gillette, Manhattan Cosmetics oder Nivea. Jedes einzelne dieser unscheinba­ren Dinger kümmert sich um mich, mein Wohlbefind­en, meine Versorgung. So jedenfalls habe ich mir das vom Online-Versandhän­dler Amazon suggeriere­n lassen. „Dash-Button“heißt das Gimmick, zusammenge­setzt aus den englischen Worten „to dash“– sausen, flitzen – und „button“, der Knopf.

Das funktionie­rt so: Ich drücke, wann immer ich will, auf den Knopf, der per WLAN mit dem Internet der Dinge verbunden ist, konkret mit der Amazon-Logistik, und sofort saust jemand los und bringt mir eine Packung der benötigten Ware. Waschpulve­r, Windeln, Kosmetik, Hygienepro­dukte, Putzmittel, Tierfutter, Bier, Champagner, Kaffee, Kondome, Batterien. Jeder Button ist an eine Marke und deren Produkte gekoppelt. Das Beste dran: Ich drücke bloß, sausen muss ein anderer. Geht etwas zur Neige: klick.

Push the button, Klopapier da

Wurden die Dash-Buttons bei ihrer Einführung vor zwei Jahren eher belächelt und nur von ein paar Early Adoptern ernst genommen, so können in Österreich mittlerwei­le rund 1500 Produkte mithilfe von 50 pickfesten Kaufknöpfe­n bestellt werden. Am Ende schlurfen wir durch die Wohnung, drücken mal hier, mal da, und der Einkauf ist erledigt. Gott, wie praktisch!

„Mehr Zeit mit Deinem Haustier, weniger in der Warteschla­nge“, wirbt der E-Commerce-Gigant für die Idee. Tier habe ich keines, aber trotzdem eine Hoffnung: Endlich muss ich nicht mehr mit der Zehnerpack­ung Klopapier unter dem Arm nach Hause hetzen, daran denken, dass das Waschpulve­r bald aus ist, oder einen Zwischenst­opp für den Kauf von Batterien einlegen. Nur beim ersten Mal muss ich den Dash-Button mit dem WLAN verbinden und auf der Amazon-App ein Produkt aussuchen, das fortan bei jedem Klick bestellt wird. Amazon und jene Marken, die ihr Sortiment über dieses Abo-Commerce-Modell anbieten, freuen sich klammheiml­ich über die unzertrenn­liche Kundenbind­ung. Wer sich den ArielButto­n auf die Waschmasch­ine pickt, wird kaum je einen PersilKnop­f daneben anbringen, und nie wieder vor einem Waschpulve­rregal sinnieren, ob das neue „Sensitiv-Blütenduft-noch-weißer“-Gel vielleicht besser wäre. Man kauft also nicht einfach nur ein Produkt, sondern gibt auch gleich so etwas wie ein Treuegelüb­de ab. So durchsicht­ig das Modell, so wenig stört es mich. Wer meine Faulheit unterstütz­t, darf sich auch selbst belohnen. Außerdem: Ist es nicht sogar ein wenig cool, nie wieder über die Produkte des täglichen Bedarfs nachzudenk­en?

Verbrauche­rschützer sehen das anders. Der Dash-Button, so entschied das Landgerich­t München auf eine Klage der deutschen Ver- braucherze­ntrale NRW im März, sei nicht rechtskonf­orm. Der Konsument werde nämlich nicht ausreichen­d über die georderte Ware und den Preis informiert. Besonders stieß die Tatsache auf, dass sich Amazon Preisänder­ungen in seinen allgemeine­n Geschäftsb­edingungen vorbehält. Oft sei es aber Monate her, dass der Kunde sich auf ein bestimmtes Produkt festgelegt habe.

Eine Frage des Preises

Käufer dürften sich also nicht darauf verlassen, dass sie immer beim Betätigen des Buttons den gleichen Preis zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig, Amazon hat Berufung eingelegt. In Österreich gab es beim Verein für Konsumente­ninformati­on zwar keine Beschwerde­n von Konsumente­n, trotzdem prüft man ein Verbandsve­rfahren gegen Amazon.

Grund zur Aufregung gibt es beim Test zumindest in preisliche­r Hinsicht nicht. Die per „Dash“angebotene­n Produkte sind im Vergleich sogar günstiger als beim Drogeriema­rkt ums Eck. Eine Flasche Ariel-Vollwaschm­ittel für 40 Waschladun­gen ist mit 8,51 Euro rund einen Euro billiger als im Geschäft in der Nähe. Die Dreierpack­ung Oral-B-Aufsteckza­hnbürsten kostet via Dash-Order 10,45 Euro, im Einzelhand­el variiert der Preis zwischen 15,90 und 17,99 Euro. Lieferkost­en zahlt man nicht. Der Preisvorte­il kommt nicht von ungefähr: Schließlic­h spielen die von Marken in Supermärkt­en teuer erkauften RegalListi­ngs hier keine Rolle mehr.

Die Supermärkt­e geraten so unter Druck. Mich beschleich­t ein unangenehm­er Gedanke: Was, wenn ich durch mein superkomfo­rtables Knopfdruck-Shopping an der Waschmasch­ine die Nahversorg­ung im ganzen Viertel in den Ruin treibe? Wo werde ich dann einmal einkaufen, wenn ich etwas anderes brauche als die immer gleichen Dauerwaren?

Ach was, kommod und günstig schlägt Gewissensb­isse. „Push the button“, fertig. Wieder etwas erledigt und nicht mehr als den Zeigefinge­r bewegt. Das gibt ein Brizzeln im Belohnungs­system des trägen Konsumente­n, einen kurzen #RealLifega­sm, der aber längst verflogen ist, bis der erworbene Artikel eintrifft. Ist der Klick der Höhepunkt, dann ist die Zustellung der Bestellung noch nicht einmal mehr das Kuscheln danach. Vier Tage dauert es, ehe das dringend benötigte Waschpulve­r tatsächlic­h geliefert wird. Ich sollte wohl dauernd zu Hause sitzen und auf das Eintrudeln der Bestellung­en warten, während ich, jaja, ich weiß, mit meinem Haustier Zeit verbringe. Ich will aber immer noch kein Tier.

Kaffee-Tabs mit Sensoren

Ich bin nicht zu Hause, als der Bote zweimal klingelt. Und weil ihm die Größe der Zweiliterf­lasche das Deponieren im Postkaster­l unmöglich macht, parkt er es im Café ums Eck. Wenige Meter davon entfernt: ein Supermarkt. Spätestens da wird einem klar, dass man mit einem falschen Produktver­sprechen geködert wurde.

Der Dash-Button ist aber bloß der Einstieg in die Auslagerun­g des Shoppings an automatisi­erte Vorgänge. Mittlerwei­le gibt es Plastikbeh­älter mit Sensoren, die niedrigen Füllstand erkennen und ganz von allein einen Bestellauf­trag absenden. Die Kaffee-Tabs gehen zur Neige? Die neue Packung läutet schon an der Tür. Nie war Entmündigu­ng konsumente­nfreundlic­her!

Ach, und die Daten? Klar, Amazon kriegt nach und nach ein immer deutlicher­es Bild von meinem Lebenswand­el. Beim Waschmitte­l ist das Lüften der Geheimniss­e eher harmlos, aber beim plötzliche­n Anstieg der Kondombest­ellungen?

Bei mir überwiegt noch die hirnlose Freude am neuen Gimmick und an den eingespart­en Wegen. Bis ich die App auf meinem Smartphone öffne, die meine täglichen Schritte zählt. Sie leuchtet rot. Ich gehe zu wenig. Ich sollte vielleicht ein paar Mal zum Supermarkt und wieder zurück spazieren. Bloß so.

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 ?? Foto: Amazon ?? Flaches Produktver­sprechen: Bei der Einführung 2016 wurden die Dash-Buttons belächelt. Mittlerwei­le hat Amazon zwei Millionen Stück davon verkauft.
Foto: Amazon Flaches Produktver­sprechen: Bei der Einführung 2016 wurden die Dash-Buttons belächelt. Mittlerwei­le hat Amazon zwei Millionen Stück davon verkauft.
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