Der Standard

Wer findet den Weg zurück zur Mitte?

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Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und sein Team wollen dem Vernehmen nach eine politische Linie präsentier­en, in welcher der Begriff „die Mitte“die entscheide­nde Rolle spielt.

Das Leitmotiv der noch sehr skizzenhaf­ten Vorstellun­gen soll sein, die Regierungs­partei und den Kanzler als „in der Mitte“befindlich zu positionie­ren. Also etwa aktuell in der Mitte zwischen den neuen rechten Störenfrie­den in der EU (Visegrád-Staaten, Italien, Bayern) und Emmanuel Macron und Angela Merkel. Oder die europäisch­e Mitte zwischen Donald Trumps USA und Wladimir Putins Russland. Und schließlic­h die Mitte zwischen den rasant vorwärts marschiere­nden Rechtspopu­listen und den Traditions­parteien in Europa.

So gesehen wäre etwa die türkise „Bewegung Sebastian Kurz“die Mitte zwischen einer traditione­llen, sozialpart­nerschaftl­ich ausgericht­eten (oder erstarrten) alten ÖVP und der rechtsnati­onalistisc­hen FPÖ bzw. deren Freunden AfD, Le Pen und neuerdings Lega mit Salvini.

Es scheint, als wolle man in der Kurz-Bewegung signalisie­ren, dass man doch nicht so weit nach rechts gerückt ist, wie es aussieht. Man sollte dabei aber nicht darauf warten, dass die Kurz-Bewegung in merkbarer Weise die rechten Ausfälle ihres Koalitions­partners kritisiert.

Die Mitte ist ein schlechter Ort für viele Politiker geworden, weil die Mäßigung, die aus ihr spricht, nicht mehr beim Wahlvolk ankommt. Rechtsnati­onalistisc­he bis halbfaschi­stische Parteien sind in Österreich, Italien, Ungarn, Polen bereits an der Regierung. Für manche sieht das verflucht nach der Konstellat­ion in den Dreißigerj­ahren aus. Wenn die CSU die deutsche Regierung in die Luft sprengt und Merkel stürzt, dann fällt auch Europa auseinande­r, sagte soeben der französisc­he Regierungs­sprecher. Österreich hat sich unter Sebastian Kurz bisher eindeutig von der Mitte wegbewegt. Sein jüngster Auftritt in Budapest mit der Umarmung durch den autoritäre­n Herrscher Viktor Orbán, dazu die Duldung der Selfie-Inszenieru­ng von Vizekanzle­r Strache mit dem halbfaschi­stischen starken Mann der italienisc­hen Koalition, Matteo Salvini, kann wirklich nicht als „Mitte“bezeichnet werden.

Wenn aber tatsächlic­h ein gewisses Umdenken beim österreich­ischen Bundeskanz­ler einsetzen und eine reale Retourkorr­ektur einsetzen sollte, so wäre das nur vernünftig.

Wenn die Kurz-Bewegung tatsächlic­h zurück in die Mitte rücken will, dann wird es allmählich Zeit, die Fixierung auf das Problem „Migration“zu relativier­en. Ja, die Migration ist ein Problem, wird noch lange eines bleiben, aber sie verursacht keinen Staatsnots­tand.

Außer, wenn die EU deswegen auseinande­rfliegt. Sebastian Kurz kann kein Interesse haben, dass es so kommt, denn er wird dann nicht auf der Seite der „Sieger“sein, sondern in der Mitte eines Trümmerhau­fens. Was bleibt denn dann? Ein abermals zerrissene­r Kontinent, in dem die Rechtsextr­emen den Ton vorgeben und über den Trump, Putin und Co drüberfahr­en können?

Dann Gnade uns Gott. hans.rauscher@derStandar­d.at

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