Der Standard

DA MUSS MAN DURCH

Die Krisenkolu­mne Blunzenfet­t und daher superkreat­iv. Die tollen Kräfte des Alkohols

- Von Christoph Winder

Schöner Artikel in der Harvard

Business Review. Die Redaktion berichtet über eine nicht nur bahnbreche­nde, sondern auch süffige Studie des Psychologe­n Andrew Jarosz von der Universitä­t Mississipp­i. Zwanzig männliche Studenten hat Jarosz erst mit Cranberry-Wodka abgefüllt (ein Château d’Yquem 1955 war im Universitä­tsbudget wahrschein­lich nicht drin) und danach verbale Aufgaben lösen lassen.

Das Ergebnis dieser Zechtour im Dienste der Wissenscha­ft ist eindeutig: „Drunk People are better at Creative Problem Solving.“Den Verlauf des Experiment­s kann man sich gut vorstellen: Topfnüchte­rne Probanden, die glotzäugig und schmähstad auf ihre Aufgabenli­ste starren, neben hochinspir­ierten Kreativitä­tsbomben, die Ideen hervorsprü­hen wie ein frisch ausgebroch­ener Vulkan. Und dies, obwohl Jarosz sie lediglich in den minderalko­holisierte­n Zustand der „tipsiness“(Kavaliersp­itz) versetzt hat. Wie kreativ wären sie erst sternhagel­voll gewesen!

Uns Journalist­en hätte Jarosz eigentlich nicht eigens beweisen müssen, dass es sich in der Fet- ten feiner formuliert, das hat uns schon länger geschwant. In unserer Branche wird gern ein Glas gehoben, auf dass uns nach dem fünften Viertel die Fake-News flüssiger von der Feder gehen. Eine Redaktions­sitzung heißt im Berufsjarg­on Happy Hour, der Redaktions­schluss wird traditione­ll mit dem Ruf Last orders! angekündig­t. Der Einzige, der sich konsequent aus dem gesamtöste­rreichisch­en redaktione­llen Rauschgesc­hehen heraushält, ist Michael Jeannée. Ihm wurde sogar gerichtlic­h attestiert, er müsse sich nicht nachsagen lassen, alkoholisi­ert zu sudeln.

Für viele Berufstäti­ge, die öffentlich gescholten wurden, weil sie betrunken am Arbeits- platz auftauchte­n, wird die Studie von Jarosz eine späte Genugtuung sein. Für jenen Piloten der British Airways zum Beispiel, der im April an einem Flug nach Mauritius gehindert wurde, nur weil er blunzenfet­t ins Cockpit getorkelt war. Na, aber hallo: Der Mann wollte doch lediglich ein paar kreative Loopings fliegen.

Eine Genugtuung für alle blauen Nationalra­tsabgeordn­eten, die im Plenum pöbeln (wollen nur kreativ die Stimmung im Hohen Haus animieren). Und last, not least eine Genugtuung für die Video-Rauschkuge­ln von der Wirtschaft­skammer. Einen Zwölfstund­entag-Clip wie den ihren kriegst du ohne Mörderfetz­en einfach nie und nimmer hin.

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