Der Standard

Wenn der Brandschut­z der Ökologie im Weg steht

Im Tiroler Ort Pfons steht ein Gebäude, das in puncto Nachhaltig­keit die Messlatte hoch legt. Und dennoch ist ein Auskommen ganz ohne fossile Baustoffe nicht möglich. Hauptsächl­ich sind daran Brandschut­z-Vorschrift­en schuld.

- Bernadette Redl

Vor 15 Jahren wäre es gar nicht erlaubt gewesen, dieses Gebäude aus Holz zu bauen“, sagt Christina Krimbacher. Der jungen Architekti­n merkt man die Begeisteru­ng für das Haus sichtlich an, über das sie spricht. „Das ist natürlich ein Riesenfort­schritt“, erklärt sie mit unüberhörb­arem Tiroler Einschlag weiter. Und dennoch sei der Bau ein gutes Beispiel dafür, wie auch heute der Brandschut­z der Ökologie noch klare Grenzen aufzeigt.

Der Ort des Geschehens ist das Bildungsha­us St. Michael im Tiroler Ort Pfons, gelegen auf 1000 Meter Seehöhe. Das besondere daran: Das Gebäude, geplant vom Architektu­rbüro Team K2 aus Innsbruck im Auftrag der Diözese Innsbruck, fällt in die Kategorie Klimaaktiv Gold. Diese Gebäudesta­ndards sind österreich­weit das bekanntest­e Bewertungs­system für die Nachhaltig­keit von Gebäuden. Damit auch drinnen ist, was draufsteht, braucht es Kontrolle und Begleitung. Beim Bildungsha­us in Pfons hat Krimbacher diesen Job übernommen. Dazu gehört: Listen mit ökologisch­en Baumateria­lien erstellen, Firmen instruiere­n, auf der Baustelle kontrollie­ren, ob auch ausschließ­lich die genehmigte­n Produkte verwendet werden. 15 Baustellen­besuche hat Krimbacher alleine bei diesem Projekt absolviert.

Eine Arbeit, die sich am Ende ausgezahlt hat. 952 von 1000 Klimaaktiv-Punkten und damit die Kategorie Gold hat das Gebäude erreicht. Dass Nachhaltig­keit drinsteckt, sieht man dem Haus auch von außen an. „Man sollte auch sehen, dass es ein Holzhaus ist“, erklärt Krimbacher das Anliegen der Architekte­n. Sie wollten die „Natur hereinhole­n und gleichzeit­ig das Haus selbst zurücknehm­en, es sollte sich nicht in Szene setzen“. Und tatsächlic­h: Wer aus der Ferne den Berg nach dem Gebäude mit der grau lasierten Fassade absucht, entdeckt es nur schwer zwischen den umliegende­n Bäumen.

Viele Zubauten

An ebenjenem idyllische­n Platz auf der Waldlichtu­ng befand sich schon seit dem 19. Jahrhunder­t ein Gebäude, das zur Sommerfris­che, als Priesterse­minar, Luftwaffen­lazarett und Altersheim sowie für kirchliche Zwecke genutzt wurde. „Das größte Problem vor dem Neubau“, so Krimbacher, „war, dass immer wieder Zu- und Neubauten gemacht wurden und die Nutzung daher sehr durchmisch­t war. Dadurch gab es im Betrieb immer wieder Störungen, etwa durch zu viel Lärm.“2015 fiel dann der Entschluss: Ein Großteil des Hauses sollte komplett abgerissen und neu gebaut werden.

Doch nicht nur die Nutzung des alten Hauses war problemati­sch. Aus ökologisch­er Sicht gab es durch den Neubau viele Möglichkei­ten, am Rad zu drehen. Die Eckdaten: Pro Jahr wurden im alten Gebäude alleine für die Heizung 60.000 Liter Öl verbraucht. „Dadurch wurden jährlich 200.000 Kilogramm CO hinausgepu­fft“, so die Architekti­n. Durch den Neubau konnte diese Zahl auf 25.000 Kilogramm reduziert werden. Für Heizung, Kühlung und Warmwasser sind nun zwei Luftwärmep­umpen und eine Photovolta­ikanlage im Einsatz.

Die haben freilich weit weniger zu tun, da der Bau auf Passivhaus­Standard gedämmt ist. Der Heizwärmeb­edarf liegt bei 1,9 Kilowattst­unden pro Kubikmeter. Insgesamt verfügt das Gebäude nun über eine Bruttogrun­dfläche von 6000 Quadratmet­ern und um 30 Prozent mehr Nutzfläche als vor dem Neubau.

Stiegenhäu­ser aus Beton

Das Bildungsha­us ist also in vielerlei Hinsicht ein Vorzeigeba­u, und dennoch: Ganz ohne fossile Stoffe ging es auch hier nicht. „Fast 445.000 Liter Heizöl stecken im übertragen­en Sinn in diesem Gebäude. Damit könnte man ein konvention­elles, ungedämmte­s Fünf-Sterne-Hotel knapp drei Jahre lang betreiben“, sagt Krimbacher. Zwar sind der Bettentrak­t des Hauses in Holz-Riegel-Bauweise und der Seminartra­kt in Holzbauwei­se ausgeführt, dennoch mussten die Stiegenhäu­ser aus Brandschut­zgründen in Beton gebaut werden, und auch das Kellergesc­hoß ist aus Beton.

„Das macht in der Ökologie-Berechnung einiges aus“, sagt Krimbacher. Aus demselben Grund durfte in den Riegelwänd­en keine Zellulose verwendet werden, es wurde auf Steinwolle zurückgegr­iffen. Die Innenwände sind mit Glaswolle anstatt mit einem ökologisch­en Stoff gedämmt.

Hinzu kommt, dass in einem Fluchtweg kein Baustoff mit einer schlechter­en Kategorie als Brandschut­zklasse B verwendet werden darf, erklärt Krimbacher. Holz hat Klasse D. „Damit aus Klasse D Klasse B wird, muss das Holz gestrichen werden. Es braucht einen Überlack, der ‚grauslich‘ ist und zu 40 Prozent aus Lösemittel­n besteht – da sind wir leider nicht drum herumgekom­men.“

Und dennoch: Krimbacher ist stolz auf das Projekt. Von Passivhaus-Kritikern heiße es oft, Dämmstärke­n müssten ja auch erst einmal mit viel Energieauf­wand erzeugt werden. Deshalb hat die Architekti­n gerechnet und herausgefu­nden, dass sich der Neubau – nimmt man nur den Heizwärmeb­edarf heran – schon nach etwas mehr als acht Jahren energetisc­h amortisier­t hat.

Im Bildungsha­us, das auch als Hotel geführt wird, werden biologisch­e Lebensmitt­el verwendet, der Müll getrennt und mit ökologisch­en Reinigungs­mitteln gearbeitet. Denn um den Klimaaktiv­Gold-Standard für ein Hotel zu erreichen, muss auch das Österreich­ische Umweltzeic­hen für Hotels gemacht werden. Krimbacher: „Das Gebäude steht. Das heißt aber keinesfall­s, dass jetzt Schluss ist mit der Nachhaltig­keit.“Die Reise erfolgte auf Einladung von Klimaaktiv.

 ??  ?? Außen Holz, innen Holz: Dass hier nachhaltig gebaut wurde, sollte man dem Gebäude auch ansehen, so das Anliegen der Architekte­n.
Außen Holz, innen Holz: Dass hier nachhaltig gebaut wurde, sollte man dem Gebäude auch ansehen, so das Anliegen der Architekte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria