Pizzaessen statt einsames Süppchenkochen
nutzt werden. Einer davon ist Johannes Stehle, der als EPU schon seit mehr als drei Jahren hier arbeitet. Diese Variante kostet 240 Euro pro Monat inklusive eines Extras. „Ich hatte keine Lust mehr, als Freiberufler mein eigenes Süppchen daheim zu kochen“, so der Übersetzer und Dolmetscher, der es schätzt, dass hier alles vorhanden ist und er in Ruhe arbeiten kann.
Gemeinsam gearbeitet wird auch in der Marxergasse. Im Start-up-Hub „Das Packhaus“ist das Konzept aber ein anderes: Es beruht auf Zwischennutzung. Und auch hier gibt es einige flexibel mietbare Schreibtische im Erdgeschoß (ab 125 Euro pro Monat), aber der Fokus liegt eher auf eigenen Büroräumen für Unternehmen in den oberen Stockwerken. Die Räumlichkeiten sind daher auch sehr individuell: Hier das eher konservative Büro eines über 70-jährigen Juristen mit Teppich und Aktenordnern, dort der von Zimmerpflanzen dominierte Raum des Start-ups Ancient Game von Stefanie Baier. Es bietet eine App an, mit deren Hilfe sich sowohl virtuelle als auch echte Bäume pflanzen lassen.
Ein langjähriger Nutzer ist Johannes Berger von Mimo, dessen Unternehmen Menschen per Handyapp das Programmieren beibringt. Vor drei Jahren haben sie mit vier Leuten begonnen, Vollzeit daran zu arbeiten. „Wir brauchten damals einen kleinen Raum, dann nahmen wir bald einen zweiten dazu, und jetzt haben wir für 17 Leute fünf Räume“, so Berger, der die Umzugsmöglichkeiten in dem über 4000 Quadratmeter großen Gebäude schätzt. Demnächst zieht das Unternehmen aus, weil es noch viel Größeres braucht. „Es ist super, wenn die Unternehmen auch wieder rausgehen, weil sie so erfolgreich sind“, so Margot Deerenberg, die den Verein Paradocks, der das „Packhaus“betreibt, 2014 gegründet hat. Die Stadtgeografin, gebürtige Niederländerin, sieht es als Raumunternehmen. „In Wien wird Zwischennutzung immer so negativ gesehen“, meint sie und verweist auf Amsterdam, wo man viel natürlicher mit dem Thema umgehe. Allerdings seien die Erfahrungen mit den Jahren auch hier besser geworden: „Menschen aus der Nachbarschaft hatten anfangs sogar Angst vor Hausbesetzern, daher war mir ein reales Pilotprojekt so wichtig“, so Deerenberg.
Ein weiteres Jahr Zwischennutzung
Mittlerweile kommen auch ältere Menschen vorbei und loben, was aus dem Gebäude geworden ist. Die nicht besonders hübsche Immobilie aus den 1970ern war einst Sitz des Bundesrechenzentrums, gehörte dann der Conwert, seit kurzem der Immobilienfirma I & Co Realtrade. Diese hat Pläne mit der Immobilie, die Umsetzung dauert noch. „In der Zwischenzeit schauen wir, dass das Gebäude nicht verfällt“, sagt Roland Hemedinger, der den Verein berät. Die Zwischennutzung wurde vorerst wieder für ein Jahr ausverhandelt. Aufgrund des Konzepts können Räumlichkeiten relativ günstig angeboten werden.
„Man belebt ein Viertel und schafft sozialen Mehrwert, indem man Start-ups auf die Beine hilft und das Haus nicht leer bleibt“, beschreibt WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich die Vorteile für Immobilienbranche, Grätzel und Zwischennutzer. Um solche Gebäude als „normale“Büroimmobilien vermieten zu können, wären hohe Investitionen nötig – die sich angesichts der bevorstehenden Sanierung nicht mehr auszahlen. Gut für all die Designer, Programmierer, Künstler, Spieleentwickler, Volksbegehren, Nachbarschaftsnetzwerke und Architekten im Haus.