Der Standard

Wenn das Fenster im Büro nicht aufgeht

Die modernen Arbeitswel­ten machen nicht alle glücklich. Viele leiden darunter, wenn sie sich der Technik im Büro ausgeliefe­rt fühlen – und sich der Kollege zum Telefonier­en nicht in die „Phone Box“zurückzieh­t.

- Franziska Zoidl

Großraumbü­ros sind modern. Hier sind Bürokonzep­te möglich, die Kommunikat­ion und projektwei­se Zusammenar­beit erleichter­n wollen, wird argumentie­rt. Ganz nebenbei lässt sich, so der Glaube mancher Arbeitgebe­r, damit im Vergleich zu konvention­ellen Büros mit kleinteili­gen Einheiten Platz und Geld sparen.

Nicht alle, die in einem Großraumbü­ro sitzen, sind damit glücklich. Denn hier treffen ganz unterschie­dliche Befindlich­keiten aufeinande­r: Der Kollegin ist selbst bei hochsommer­lichen Temperatur­en kalt, ihr Sitznachba­r fühlt sich bei herunterge­kühlten 20 Grad am wohlsten. Der eine telefonier­t gern lautstark am Platz, der andere braucht zum Arbeiten absolute Stille. Probleme also, mit denen man sich im Einzelbüro nicht herumschla­gen musste.

„Im Arbeitsall­tag entstehen viele Fragen, die gelöst werden müssen“, sagt Matthias Welkens, Bereichsle­iter für Ergonomie bei Innovative­s Betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t (IBG). Wo das kleinteili­ge Büro gegen ein Großraumbü­ro ausgewechs­elt wird, brauche es unter anderem Verhaltens­regeln für die Mitarbeite­r, in denen beispielsw­eise festgelegt wird, wo telefonier­t werden darf. Die Gruppen im Großraumbü­ro sollten zudem homogen sein, was ihre Tätigkeit angeht, damit das Nebeneinan­der-Arbeiten funktionie­rt.

Zonen zum Telefonier­en

Und noch etwas stellt er klar: „Ein großer Raum mit Schreibtis­chen ist kein Großraumbü­ro. Da müssen auch die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden – und daran scheitert es oft.“So braucht es beispielsw­eise designiert­e Zonen, in denen Kommunikat­ion und sozialer Austausch möglich sind. Wichtig seien auch Phone Boxes, in die sich auch der erwähnte vieltelefo­nierende Mitarbeite­r für längere Telefonate zurückzieh­en kann.

Ein weiteres Problem in Büros, etwa in modernen Bürotürmen, sind laut Welkens Blendungen und Spiegelung­en, daher brauche es ein entspreche­ndes Licht- und Blendschut­zkonzept. Selbiges gilt für die Lüftung. Dabei sei wichtig, dass auch der Wartungsau­fwand getragen wird. Eine Klima- und Lüftungsan­lage könne nämlich nur funktionie­ren, wenn beispielsw­eise die Filter regelmäßig getauscht werden.

Wobei die modernste Lüftungste­chnik nicht alles ist: „In manchen Büros kann man nicht einmal das Fenster kippen. Das behagt vielen nicht“, sagt Welkens. Dieser Umstand wirke sich auf die Akzeptanz des Büros aus.

Generell gilt: „Je mehr ich meinen Büroalltag individuel­l gestalten kann, umso zufriedene­r werde ich sein“, sagt Welkens. „Und mit umso mehr Freude geht man ins Büro.“

Wobei das offene Bürokonzep­t nicht für alle passe, räumt er ein. Gut eignen würde sich ein Großraumbü­ro beispielsw­eise für krea- tive Berufe oder administra­tive Tätigkeite­n. Auch Alexander Fenzl, Büroexpert­e bei Otto Immobilien, bestätigt das: „Die Nutzung von Großraumbü­ros ist stark branchenab­hängig.“

Und auch abhängig von der jeweiligen Immobilie. Ein Großraumbü­ro sei nämlich nicht in jedem Gebäude möglich, so Fenzl: Neben einer grundsätzl­ichen strukturel­len Eignung, etwa was Trakttiefe­n und Säulenrast­er angeht, müsse auch die Haustechni­k mitspielen.

Familienfo­to auf dem Laptop

Die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen in puncto Platz – der erste Mitarbeite­r braucht acht Quadratmet­er, jeder weitere fünf – werden in Österreich laut Welkens „zu 90 Prozent“erfüllt. Allerdings werde immer wieder auch versucht, „zu optimieren“.

Ein besonders umstritten­er Trend in modernen Büros ist das Desksharin­g, bei dem Mitarbeite­r keinen fixen Arbeitspla­tz mehr haben – und diesen Arbeitspla­tz daher auch nicht mehr individuel­l gestalten können. Das Familienfo­to, das früher auf dem Schreibtis­ch stand, könne man aber auch als Begrüßungs­bildschirm auf dem Laptop einstellen, meint Welkens.

Ob das Desksharin­g sinnvoll ist, hänge von der Ausgangssi­tuation ab, sagt Welkens: Für einen Mitarbeite­r, der wenige Stunden pro Woche im Büro ist und ansonsten bei Terminen, könnte das Konzept durchaus passen.

Generell empfiehlt Welkens, mehr Dynamik in den GroßraumBü­roalltag zu integriere­n: Elektrisch verstellba­re Schreibtis­che, an denen auch im Stehen gearbeitet werden kann, seien in modernen Büros heute Standard. Auch Stehungen statt Sitzungen oder Stiegenste­igen statt dem Aufzugfahr­en seien sinnvoll. Die Bewegung müsse aber vom Chef vorgelebt werden, betont der Experte: Wer im verglasten Konferenzr­aum am Rückengymn­astikkurs teilnehme, dürfe von den Kollegen danach nicht schief angeschaut werden.

 ??  ?? Das Arbeiten im Großraumbü­ro erfordert Verhaltens­regeln – etwa dazu, wo telefonier­t werden darf.
Das Arbeiten im Großraumbü­ro erfordert Verhaltens­regeln – etwa dazu, wo telefonier­t werden darf.

Newspapers in German

Newspapers from Austria