Der Standard

„Frauen im Autoverkau­f sind eine Seltenheit“

Susanne Riha ist Autoverkäu­ferin. In der Männerdomä­ne muss sie auch mal überrascht­e Blicke und rauere Umgangsfor­men aushalten. Dass sie ihren Beruf mag, zeigt auch, dass sie ihn nach einem schweren Autounfall immer noch ausübt.

- PROTOKOLL: Selina Thaler

„So platt es klingt: Mein erstes Wort war ‚Auto‘. Als Kind waren alle Jungs aus der Nachbarsch­aft immer bei mir zum Spielen, weil ich die neuesten Spielsache­n hatte: Elektroaut­os, Autobahnen, Waschstraß­en. Mit meinem Opa bin ich oft in seinem silbernen Mercedes mit Schiebedac­h mitgefahre­n, das fand ich toll.

Autos und Autofahren fasziniere­n mich noch immer. Die Optik, der Geruch, die Innenausst­attung. Die Unabhängig­keit, die Geschwindi­gkeit, das Fahrgefühl. Es gibt nichts Schöneres für mich, als mit einem gescheiten Auto auf einer Rennstreck­e zu fahren. Ich würde auch immer ein Auto den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln vorziehen: Ganze 15 Jahre habe ich keine U-Bahn, keinen Bus und keine Straßenbah­n betreten, vor kurzem war ich wieder öffentlich unterwegs.

Mein Weg in die Autobranch­e war dadurch quasi vorgegeben. Trotzdem legte ich nach meinem Abschluss an einer höheren Lehranstal­t für wirtschaft­liche Berufe, die Unternehme­rprüfung für unterschie­dliche Branchen ab, um mir alle Optionen offen zu halten. Als ich die Stellenanz­eige einer Autowerkst­att sah, schnuppert­e ich zwei Tage, dann wurde ich angestellt. Ich verkaufte Autoersatz­teile, was mich allerdings nicht lange befriedigt­e.

Zwar konnte ich mir mit dem Gehalt mein langersehn­tes erstes Auto kaufen – einen alten Renault, bei dem ich die Musik sehr laut aufdrehen musste, um das Scheppern nicht zu hören. Doch ich wollte endlich ganze Autos verkaufen. Ich wechselte in ein Autohaus, als Assistenti­n des Autoverkäu­fers. Anschließe­nd arbeitete ich im Autoverkau­f, wo ich nach vier Jahren abgeworben wurde. Seit acht Jahren verkaufe ich mittlerwei­le Wagen bei Mercedes Wiesenthal in Wien.

Vorbehalte und rauer Ton

Neben mir gibt es noch eine zweite Verkäuferi­n. Das ist ungewöhnli­ch, denn Frauen sind eine Seltenheit in der Autobranch­e. In dieser Männerdomä­ne gehört ein rauer Ton zum Alltag. Ich habe es als Frau trotzdem nicht schwerer. Klar, viele Kunden sind überrascht, wenn sie mich sehen, manche haben auch Vorbehalte.

Einmal hatte ich einen älteren Herrn, der mir sagte, er unterhalte sich grundsätzl­ich lieber mit Männern – und er ist mit dem Prospekt wieder abgerausch­t. Am nächsten Tag hat er dennoch mich wegen eines Verkaufste­rmins angerufen. In solchen Fällen muss ich schlagfert­ig sein, zeigen, dass ich mich in technische­n Fragen auskenne. Deshalb bilde ich mich auch stetig weiter, denn der Markt ist schnellleb­ig. Ich muss die neuesten Innovation­en kennen wie etwa autonomes Fahren, Sprachassi­stenz oder neue Lichttechn­ik.

Doch nicht nur die Fakten zählen, denn als Autoverkäu­ferin verkaufe ich Emotionen. Die Kunden entscheide­n sich meist bei der Probefahrt, wenn sie sich ins Auto setzen, es fahren, spüren, riechen und Gefühle geweckt werden. Dabei sollte ich stets freundlich sein, was auch anstrengen­d sein kann. Wenn ich einen schlechten Tag habe, setze ich trotzdem keine Fassade auf, sondern bleibe authentisc­h.

Arbeitsunf­ähig nach Unfall

Verhandlun­gsgeschick lernt man in der Praxis. Wichtig ist, dass man die Kunden nicht bewertet, jeden akzeptiert. Und man darf ihnen auf keinen Fall ein Auto aufs Aug drücken, sondern muss ihre Bedürfniss­e erkennen und berücksich­tigen. Viele erzählen mir im Verkaufsge­spräch mehr, als ich eigentlich wissen will und sollte. Manchmal bin ich mehr Psychologi­n als Autoverkäu­ferin. Da muss ich dann gut zuhören, um herauszufi­nden, welches Auto am besten passt. Denn ein Kunde, der nicht zufrieden ist und sich nicht wohlfühlt, bringt naheliegen­derweise keine anderen Kunden. Für mich hört die Betreuung mit dem Kauf nicht auf, sondern eigentlich beginnt sie erst dann. Ich helfe meinen Kunden beispielsw­eise bei Serviceter­minen.

Die Kundenbind­ung ist natürlich auch wichtig. Das hat sich gezeigt, als ich vor eineinhalb Jahren einen schweren Autounfall hatte und im Spital lag: Die Kunden sowie meine Kollegen boten mir Hilfe an. Aufgrund der Verletzung­en war ich ein halbes Jahr arbeitsunf­ähig. Eine Fahrerin ist vom Gegenverke­hr abgekommen und in mein Auto gekracht – ich war unschuldig. Hat man meinen Wagen nach dem Unfall gesehen, wird klar, dass es ein Wunder war, dass wir überlebten.

Nach dem Unfall war es schwierig, wieder in ein Auto zu steigen. Ich tat es trotzdem: aus Leidenscha­ft zum Beruf und weil der Schauraum mein zweites Zuhause ist.

 ??  ?? Susanne Riha (36) ist seit acht Jahren Verkäuferi­n bei Mercedes Wiesenthal in Wien. Knapp 20 Jahre ist sie bereits in der Autobranch­e tätig, anfangs hat sie Ersatzteil­e anstatt ganze Wagen verkauft.
Susanne Riha (36) ist seit acht Jahren Verkäuferi­n bei Mercedes Wiesenthal in Wien. Knapp 20 Jahre ist sie bereits in der Autobranch­e tätig, anfangs hat sie Ersatzteil­e anstatt ganze Wagen verkauft.

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