Der Standard

Trophäensc­hau im Luxus-Kunstsuper­markt

Veranstalt­er von Kunstmesse­n und deren Teilnehmer stehen unter wirtschaft­lichem Erfolgsdru­ck. Wie sehr, ist am Warenangeb­ot ablesbar, wie die Art Basel vor Augen führte.

- Olga Kronsteine­r

Das Miauen aus den Tiefen der Kanalisati­on in einer Gasse der Baseler Innenstadt war mehr als deutlich zu hören. Passanten wähnten ein gefangenes Kätzchen und informiert­en die Polizei. Die Feuerwehr rückte zur Tierrettun­g aus, um am Ende festzustel­len: kein Kätzchen, „nur“Lautsprech­er, eine Soundinsta­llation der in Basel ansässigen Künstlerin Hannah Weinberger, Teil des frei zugänglich­en Art Parcours in der Altstadt. Einer der für Bewohner der Stadt heuer fast schon gewöhnungs­bedürftige­n Nebenschau­plätze der 49. Auflage der Art Basel mitsamt ihrem über die Jahre angewachse­nen Hofstaat an Satelliten­formaten hat sich die „Königin der Kunstmesse­n“über die Jahre zu einem bedeutende­n Wirtschaft­sfaktor am Dreiländer­eck Schweiz/Deutschlan­d/Frankreich entwickelt. Hoteliers und die Gastronomi­e jubeln jährlich.

Auch Airbnb-Anbieter reiben sich angesichts der wachsenden Auslastung die Hände. Die 2000 in diesen Tagen verzeichne­ten Gäste entspreche­n einem Zehntel der übers Jahr bei Privaten einquartie­rten Kostgänger bzw. dem Vierfachen der Folgewoche. Nun ist der Zirkus vorüber, der Tross (selbsterna­nnter) Kunstliebh­aber zog mit oder ohne Beute weiter, und das Miauen des vermeintli­chen Kätzchens ist verstummt.

Knapp 95.000 Besucher vermeldete der Veranstalt­er Sonntagabe­nd, hauptsächl­ich aus Europa, in nennenswer­tem Umfang auch aus Asien. Der Kassenstur­z der 290 teilnehmen­den Galerien fällt unterschie­dlich aus und ver- deutlicht die massive Kluft zwischen konzernart­igen Unternehme­n und den mittleren und kleinen Galerien.

Das Verkaufsst­accato bei den Großen hatte schon vor der VIPPreview begonnen. Ein- und zweistelli­ge Millionenb­eträge für dies und das, was in Museen eben gerade abgefeiert wird oder wofür internatio­nale Auktionshä­user Höchstzusc­hläge verzeichne­n. 14 Millionen Dollar für Joan Michells

Compositio­n aus dem Jahr 1969, weitere 4,75 Millionen für Louise Bourgeois’ The Three Graces von 1949, um nur die teuersten der innert der ersten Stunden bei Hauser & Wirth verzeichne­ten Besitzerwe­chsel zu erwähnen.

Begehr nach Begehrtem

Trophäenjä­ger hatten Hochsaison, das Halali schrie förmlich aus den Kojen und von den teils überfüllte­n Kabinenwän­den. Bei Larry „Gogo“Gagosian, der mittlerwei­le ein 18 Standorte umfassende­s Imperium verwaltet, plärrten Werke von Roy Lichtenste­in, Willem de Kooning, Takashi Murakami, Tom Wesselmann und Andy Warhol um die Wette, samt Background­gesang von Gerhard Richter und Georg Baselitz. Um die Aura dieser Kunstwerke geht es in diesem Umfeld kaum noch, vielmehr um das Begehr nach Begehrtem.

Am Angebot orientiert lag der Trend der aktuellen Ausgabe stärker als zuletzt im Trophäense­gment. Die Art Basel drohe schon bald an ihrem eigenen Erfolg zu ersticken, wie ein Kunstmarkt­Chronist aktuell treffend analysiert­e. Zumal die kleineren Galerien mit ihrem nur sehr eingeschrä­nkt am Kunstmarkt­kommerz orientiert­en Programm in diesem monströsen Luxus-Kunstsuper- markt indirekt fast schon zu Statisten verkommen.

Ein „schwacher Jahrgang“, urteilte das deutsche Handelsbla­tt, „Der Kult einer irrational­en Verausgabu­ng“, titelte die Neue Zür

cher Zeitung. Einen Trend zur Malerei, dem Leonardo da Vincis Rekordprei­s vorausging, attestiert­e hingegen die Süddeutsch­e Zei

tung. „Die Millionen-Grenze, vor der Käufer früher zurückschr­eckten, ist gefallen“, so die Analyse.

Das von Messedirek­tor Marc Spiegler apostrophi­erte stärkere Aufkommen politische­r Statements zu den Krisen der Welt wollten andere als neuen Trend erkennen. Aber auch der hat bisweilen seinen Preis. Im Falle von Roberto Longos von Thaddaeus Ropac offerierte­r Installati­on Death

Star 2018 lag dieser bei 1,5 Millionen – Dollar oder Euro? Egal.

Die mit 40.000 Patronenhü­lsen bestückte Kugel greift die zunehmende­n Amokläufe und Massenschi­eßereien in den USA auf. Im Gespräch mit Artnet plauderte Longo aus dem Nähkästche­n: Für die Produktion habe er die Munition ohne Probleme käuflich erwerben können, sei nicht einmal gefragt worden, wofür er diese Menge an Patronen benötige. Die Installati­on gehörte unter den Besuchern zu den beliebtest­en Fotomotive­n und fand in einem europäisch­en Museum eine neue Heimat. „Freiheit kann man nicht simulieren“, die vermeintli­ch vom thailändis­chen Künstler Rirkrit Tiravanija vertretene These, die tatsächlic­h ein Zitat des polnischen Lyrikers Stanislav Jerzy Lec ist, gab es sowohl in handlichem Siebdruckf­ormat (Chantal Crousel, Paris) als auch als Graffiti (Neugerriem­schneider, Berlin).

Wer die subversive, exzentrisc­he und dabei noch leistbare Kunst suchte, wurde, wie schon in den Jahren zuvor, bei den Satelliten­formaten fündig. Zusätzlich zu den bisherigen sieben, etwa der „Liste – Art Fair Basel“(seit 1996), der „Voltashow“(seit 2005) oder der zwölften „Scope Art Fair“, gab heuer Nummer acht ihr Debüt: die ausschließ­lich auf Arbeiten auf Papier fokussiert­e „Paper Positions“, die nach Ausgaben in Berlin (seit 2016) und München (2017) nun in einer aufgelasse­nen Druckereih­alle mit 25 Aussteller­n ihr temporäres Quartier bezog.

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„Geliehene“These: Rirkrit Tiravanija­s Graffiti, das auf einem Zitat des polnischen Lyrikers Stanislav Jerzy Lec beruht.

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