Grenzschutz am Mittelmeer als Hauptthema
Bei einem informellen Migrationsgipfel von 16 willigen EU-Staaten wurden restriktivere Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenzen und gegen das Weiterwandern von Asylwerbern in Europa besprochen. Noch ohne Beschlüsse.
Die Anspannung war sichtlich groß, als die Staats- und Regierungschefs von 16 der insgesamt 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am Sonntag in Brüssel in der EU-Kommission eintrafen. Nur ein „Arbeitstreffen, ein Beratungstreffen“finde hier statt, „keine Entscheidungen, noch“, sagte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron.
Er kam als einer der Letzten an. Ganz oben, in der Etage von Präsident JeanClaude Juncker, bereitete man sich schon auf eine „sehr schwierige Aussprache“zum Thema Migration vor. Es herrscht durch die Bank eine gewisse Ratlosigkeit, wie man fast drei Jahre nach dem großen Ansturm von Migranten nach Zentraleuropa im Herbst 2015, nach all dem Hängen und Würgen um eine nachhaltige Lösung endlich einen größeren Schritt weiterkommen könnte.
Interessant war, wer aller nicht zum Treffen kam: alle vier Visegrád-Länder, die drei baltischen Staaten, Großbritannien und Irland, Zypern und Portugal. Kein Interesse. Auch das sei ein Hinweis, von welcher EU-Gruppe das Problem – wenn überhaupt – angepackt werden wird, mit den „Kerneuropäern“im Zentrum, hieß es. Die derzeitige Lage sei jedenfalls „extrem prekär“, befand Maltas Premier Joseph Muscat, es dürfe nicht um ständige gegenseitige Schuldzuweisungen gehen. Seine Insel ist, was die Ankunft von Booten mit Migranten und Flüchtlingen betrifft, noch exponierter, seit Italiens radikale Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung den Kurs deutlich verschärfte und Häfen sperrt. Der neue Premier Giuseppe Conte forderte in Brüssel einen „radikalen Wandel“: Die geltenden EU-Regeln (Dublin III), wonach man im Land der Ankunft in Europa ein Asylverfahren durchführen müsse, müssten „komplett überwunden werden“.
Aber dieses sehr komplexe Thema, nämlich wie man Asylverfahren gemeinschaftlich abwickelt und anerkannte Asylwerber auf die EU-Staaten verteilt, das sollte zunächst nicht im Vordergrund stehen. Auch nicht Fragen, wie man illegale Migranten, die kein Recht auf einen Aufenthalt in einem EU-Land haben, rigoros wieder in ihre Heimat abschiebt. Das sind Fragen, die man erst in einem zweiten Schritt in einem „Gesamtpaket“wird lösen können. Ein sol- ches sei derzeit aber unrealistisch, bemerkte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Sie beziehungsweise die Probleme in ihrer Regierung nach den Drohungen von Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer waren überhaupt der Anlass, dass dieser Minigipfel ursprünglich zustande kam. Seehofer fordert ultimativ, dass es auch ohne „europäische Lösung“zum Zurückweisen von „sekundären Migranten“kommen müsse. Das beträfe etwa Menschen, die in Italien einen Asylantrag stellten und trotzdem nach Deutschland weiterreisen. Andernfalls will er das im Alleingang durchziehen, was den Konflikt mit der Kanzlerin auslöste, die das ablehnt.
Kein Fokus auf Deutschland
Diese innerdeutschen Affären sind für die EU-Partner zweitrangig: „Es geht nicht um das Überleben Merkels“, meinte der luxemburgische Premier Xavier Bettel.
Die meisten EU-Staaten drängen auf einen restriktiveren Kurs beim Schutz der Außengrenzen, die Beneluxstaaten ebenso wie Frankreich oder Spanien. Bettel war neben Macron der Einzige, der leisen Optimismus versprühte, dass dies bereits kommende Woche beim regulären EU-Gipfel in Brüssel gelingen könnte.
Zwei große Themenkreise bieten sich an, bei denen im Grunde Einigkeit zwischen allen Lagern besteht: dass die EU-Außengrenzen rascher und besser geschützt werden müssen; und dass Migranten nicht einfach so quer durch die Union ziehen können. Merkel betonte, dass es dazu bi- oder multilaterale Abkommen geben könnte.
Das Zauberwort heißt „Hotspots“, Lager, die entweder in südlichen EU-Ländern oder auch außerhalb, in Albanien, dem Kosovo oder in Nordafrika errichtet werden. Damit wäre möglich, zwischen „echten“Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden, noch bevor sie „sekundär“weiterwandern. Macron betonte diesen Aspekt stark, es sei die Pflicht der EU-Staaten, nicht nur solidarisch zu sein, sondern auch ihre Grundwerte zu garantieren, wozu die Aufnahme von Flüchtlingen gehöre, die Schutz bräuchten. Die Kommission hat klargestellt, dass es diese freie Wahl des Ankunftslandes auch nach EU-Regeln nicht gibt. Auch wäre sie bereit, die Aufstockung von Frontex auf 10.000 Grenzschutzbeamte von 2027 auf 2020 vorzuziehen.