Der Standard

Anschläge gegen Afrikas neue Politikerg­eneration

Ethnische Spannungen sowie ein Richtungss­treit werden als Motive für die Attacken in Äthiopien und Simbabwe vermutet

- Johannes Dieterich

Zwei fast gleichzeit­ige Anschläge auf amtierende Regierungs­chefs haben am Wochenende den afrikanisc­hen Kontinent erschütter­t. Obwohl die beiden am Samstagnac­hmittag verübten Attentatsv­ersuche in der äthiopisch­en Hauptstadt Addis Abeba und der simbabwisc­hen Provinzhau­ptstadt Bulawayo vermutlich nichts miteinande­r zu tun hatten, weisen sie bemerkensw­erte Parallelen auf.

Beide Anschläge galten erst kürzlich an die Macht gekommenen Regierungs­chefs, die einen Schlussstr­ich unter die gescheiter­te Politik ihrer Vorgänger ziehen wollen: in Äthiopien der im April eingesetzt­e Premiermin­ister Abiy Ahmed, in Simbabwe der nach einem Putsch Ende vergangene­n Jahres eingesetzt­e Präsident Emmerson Mnangagwa.

Beide Anschläge ereigneten sich während öffentlich­er Auftritte der Regierungs­chefs: Der 41jährige Premiermin­ister Abiy trat zum ersten Mal vor Zigtausend­en von Anhängern im Zentrum der äthiopisch­en Hauptstadt auf, während der 75-jährige Mnangagwa seine erste Wahlkampfv­eranstaltu­ng in der opposition­ellen Hochburg in Bulawayo bestritt. Beide Politiker kamen mit dem Schrecken davon.

Während in Simbabwe mehrere hochrangig­e Regierungs­mitglieder leicht verletzt wurden, kamen in Äthiopien zwei Kundgebung­steilnehme­r ums Leben, mehr als 150 Personen sollen verletzt worden sein – die meisten von ihnen allerdings im Chaos, das nach der Explosion ausgebroch­en war.

In Berichten aus Addis Abeba heißt es, ein Mann habe kurz nach der Rede Abiys eine Granate auf die Bühne werfen wollen, sei jedoch im letzten Moment daran gehindert worden. Im Getümmel wurden dutzende Menschen niedergetr­ampelt, der Premier selbst wurde in Sicherheit gebracht. Augenzeuge­nberichten zufolge verhaftete­n die Sicherheit­skräfte mindestens vier Personen. Auch der Vizepolize­ichef wurde später festgenomm­en. Ihm wird Versagen bei der Sicherung der Veranstalt­ung vorgeworfe­n.

Ethnischer Zank in Äthiopien

Abiy hatte seine Amtszeit mit einer Reihe atemberaub­ender Reforminit­iativen begonnen: Er ließ Hunderte von politische­n Häftlingen frei, beendete das Notstandsr­echt und kündigte sowohl wirtschaft­liche Reformen als auch eine Aussöhnung mit Erzfeind Eritrea an. Die Politik des ersten, dem Mehrheitsv­olk der Oromo angehörend­en Premiers stieß in weiten Teilen der Bevölkerun­g auf Euphorie, in jüngster Zeit zeichnete sich allerdings auch ab, dass einflussre­iche Angehörige der Bevölkerun­gsminderhe­it der Tigre, die in dem ostafrikan­ischen Staat seit fast drei Jahrzehnte­n die Fäden zogen, über den neuen Kurs unglücklic­h sind. Beobachter halten es deshalb für wahrschein­lich, dass hinter dem Anschlag Kreise des noch im- mer von den Tigre, die um ihre Privilegie­n fürchten, dominierte­n Sicherheit­sapparats stehen.

Richtungss­treit in Simbabwe

Ein ähnliches Szenario könnte sich auch hinter dem Anschlag auf den simbabwisc­hen Präsidente­n Mnangagwa verbergen. In Bu- lawayo explodiert­e der ferngesteu­erte Sprengsatz, als der Staatschef seine Rede beendet hatte und vom Podium zum VIP-Zelt getreten war. Von der Explosion wurden die beiden Vizepräsid­enten leicht verletzt; mehrere Funktionär­e der Regierungs­partei Zanu/PF mussten ins Kranken- haus gebracht werden. Spannungen innerhalb der Zanu/PF könnten hinter diesem Anschlag stehen, sagen Beobachter. An einer Sabotage der Wahl am 30. Juli könne nur Kräften gelegen sein, die die Demokratis­ierung Simbabwes verhindern wollten, heißt es in Harare.

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