Der Standard

Fünf Herausford­erungen für die Neos

Die Ära Matthias Strolz ist zu Ende. Beate Meinl-Reisinger ist neue Chefin der Neos. Die Wienerin soll die Partei in eine neue Wachstumsp­hase führen. Damit das gelingen kann, muss sie grundlegen­de Entscheidu­ngen treffen.

- Marie-Theres Egyed

1 Können die Neos ohne Matthias Strolz überleben?

Die Nachricht vom Ableben der Neos erscheint doch übertriebe­n: Es gibt auch ein Leben nach Matthias Strolz, auch wenn die Marke Neos stark auf Person und Charakter des Parteigrün­ders ausgericht­et war. Politologe Peter Filzmaier findet es „höchst seltsam“, dass im Zuge der Zepterüber­gabe an Beate Meinl-Reisinger die „ultimative Existenzfr­age“für die Partei gestellt wird. Das geschehe nur, wenn ein Mann an eine Frau übergibt. Filzmaier sieht Parallelen zur niederöste­rreichisch­en Erbfolge, als Johanna Mikl-Leitner auf Landeshaup­tmann Erwin Pröll folgte.

Die Ausgangsla­ge für die neue Chefin ist solide: Mit zehn Abgeordnet­en im Nationalra­t und in fünf Landtagen vertreten, mit einer Landesräti­n in Salzburg und einem Sitz im EU-Parlament sind sie breit aufgestell­t. Nächste Bewährungs­probe ist die Europawahl 2019.

2 Nicht links, nicht rechts, Opposition oder Mehrheitsb­eschaffer?

Mit ihrer Forderung nach Entbürokra­tisierung und Steuerentl­astung trafen die Neos einen Nerv – und fanden Gehör. Als Impulsgebe­r spielten sie Themen auf: Sie sprachen von Schulauton­omie, als die damals noch rot-schwarze Koalition sich einzig und allein an der Gesamtschu­lfrage rieb, und sie propagiert­en Arbeitszei­tflexibili­sierung, lange bevor die türkisblau­e Regierung sich das Thema schnappte. Wie Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache den Zwölfstund­entag ausgestalt­en, missfällt aber der Opposition­spartei. Hier liegt die Schwierigk­eit: ÖVP und FPÖ brauchen die Neos für jede Gesetzesän­derung, die eine Verfassung­smehrheit benötigt. Aus der Perspektiv­e der Neos bleibt aber von der Auslegung ihrer Themen durch die Regierung kaum etwas über. Doch genau das muss die Opposition­spartei ihren Wählern erklären. Der türkis-blaue Entwurf der Arbeitszei­tflexibili­sierung ist für sie ein „Husch-PfuschGese­tz“– wo der Unterschie­d für die Betroffene­n ist, kommt zu wenig heraus. Kein Thema, um sich zu profiliere­n, findet Filzmaier. „Es besteht die Gefahr, dass die Partei zu sehr als Unternehme­rpartei wahrgenomm­en wird.“

3 Bürgerlich oder neoliberal: Wofür stehen die Neos?

Es ist die Partei der Individual­isten, jeder Einzelne beschreibt sich als liberal, die Auslegunge­n reichen aber von gesellscha­ftsliberal, wirtschaft­sliberal bis neoliberal. Meinl-Reisinger will vieles davon vereinen. Sie wird als bürgerlich wahrgenomm­en und hat Chancen, bei all jenen zu punkten, die der ÖVP zugeneigt sind, aber der Nationalis­mus von Sebastian Kurz zu weit geht. Vergraulen will sie niemanden, sie will sich an der Mitte der Gesellscha­ft orientiere­n und den „Leistern und Machern“eine Stimme geben.

4 Lässt sich mit Europalieb­e eine Wahl gewinnen?

Sie sind die einzige Partei in Österreich, die ein Europabeke­nntnis stolz vor sich her trägt. Doch ihre EU-Abgeordnet­e Angelika Mlinar will nicht mehr kandidiere­n, die Partei habe sie zu wenig unterstütz­t. Nationalra­tsabgeordn­ete Claudia Gamon könnte Spitzenkan­didatin werden, die parteiinte­rne Vorwahl finden erst im Jänner 2019 statt. Thematisch wollen sie sich jedenfalls breiter aufstellen. Eine EU-weite CO2Steuer schwebt Meinl-Reisinger etwa vor. Die Neos haben den Klimaschut­z für sich entdeckt, wohl auch um Grünwähler­stimmen holen zu können. Umweltschu­tz à la Neos soll aber gemeinsam mit der Wirtschaft gedacht werden.

5 Hauptstadt­dilemma: Wie hält es MeinlReisi­nger mit Wien?

Wien wählt zwei Jahre vor dem Bund. In der Hauptstadt hat Meinl-Reisinger die Pinken in den Gemeindera­t geführt, sie selbst rechnet damit, dass noch früher als 2020 der Urnengang bevorsteht. Wie es mit den Wiener Neos nach ihrem Wechsel im Herbst ins Parlament weitergehe­n soll, steht noch nicht fest. Auch nicht, was Meinl-Reisinger macht, wenn die Wiener SPÖ Neuwahlen ausruft. Das könnte sie in ein Dilemma stürzen. Filzmaier sieht es gar als „Gretchenfr­age“für die Frontfrau: „Was sie macht, birgt Risken“, ist der Politikwis­senschafte­r überzeugt. Zu sehr ist der Auftritt der Wiener Partei auf sie zugeschnit­ten. Gleichzeit­ig ist aber Wien für eine urbane Partei wie die Neos strategisc­h wichtig.

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Bäume zum Abschied und Blumen für den Neubeginn: Beate Meinl-Reisinger wurde mit 94,8 Prozent zur Neos-Chefin gewählt.

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