Der Standard

Waldhäusl leert Caritas-Heim Schritt für Schritt

Die Abtranspor­te aus dem Caritas-Haus St. Gabriel gehen weiter, zwei Drittel der Bewohner sollen laut Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) weg. Eine bereits übersiedel­te Frau ist verzweifel­t.

- Irene Brickner

Große Nervosität herrschte am Sonntag im Flüchtling­shaus St. Gabriel der Caritas im niederöste­rreichisch­en Maria Enzersdorf. Heute, Montag, sollen weitere 19 Bewohnerin­nen und Bewohner des seit 1992 bestehende­n, in der Vergangenh­eit von Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) als Vorzeigeei­nrichtung gehandelte­n Heims in andere Quartiere umziehen.

Am 16. Juni hatte der Abtranspor­t von 26 Asylwerber­n und subsidiär Schutzbere­chtigten, unter ihnen – wie der Standard berichtete – elf schwerkran­ke und massiv behinderte Personen, für Aufregung gesorgt. Daraufhin hatte die Caritas vor der neuerliche­n Übersiedlu­ng neun auf der Liste stehende Personen der zuständige­n, von Asyllandes­rat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) geleiteten Landesregi­erungsabte­ilung gemeldet. Bei ihnen handle es sich um „humanitäre Fälle“, auf deren Abtranspor­t verzichtet werden solle.

Laut dem Geschäftsf­ührer der für St. Gabriel zuständige­n Caritas der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner, wurde dieses Vorgehen mit Waldhäusl in einem persönlich­en Gespräch vereinbart. Doch am Sonntag gab es auf die Frage, ob man die neun wirklich verschonen werde, keine Antwort. „Wer als humanitäre­r Fall gilt, wird in der Abteilung auf Grundlage von Expertenan­alysen entschiede­n“, sagte eine Wald- häusl-Sprecherin dem Standard. Sicher sei lediglich, dass von den ursprüngli­ch 110 St.-Gabriel-Bewohnern in Summe „30 bis 40“bleiben dürften, „Betreute und Familienan­gehörige zusammenge­nommen“, erläuterte sie.

Die Absiedlung von zwei Dritteln aller St.-Gabriel-Insassen wird von Waldhäusl mit unzureiche­nder Betreuung und einem hohen Sicherheit­srisiko für die Anrainer begründet. In einem Fernsehint­erview Anfang Juni in Puls 4 erwähnte der Politiker überdies angeblich „Kritik der Volksanwal­tschaft“an dem Heim.

Volksanwal­tschaft warnte

2016 hatte die Volksanwal­tschaft so wie auch die Caritas selbst darauf hingewiese­n, dass die der Einrichtun­g vom Land zur Verfügung gestellten Gelder – 21 Euro pro Tag für jeden Normalbetr­euten, 44 Euro für jeden Sonderbetr­euten – bei weitem nicht ausreichte­n, um psychisch schwerkran­ke Menschen, die zum Teil aus der Psychiatri­e kommen, adäquat zu versorgen.

Dann geschah heuer im Mai ein Mord: Ein Nigerianer war wegen aggressive­n Verhaltens von der Polizei aus St. Gabriel weggewiese­n worden, hatte sich aber weiterhin im Umkreis der Einrichtun­g aufgehalte­n. Eines Nachts war er dort wieder eingedrung­en und soll einen Bangladesc­her mit einem Meißel erschlagen haben. Tags da- rauf wurde er in der Nähe eines Kinderspie­lplatzes in der Umgebung festgenomm­en. Vergangene­n Freitag wurde die im Mai über den 25-Jährigen verhängte U-Haft in eine vorläufige Anhaltung umgewandel­t. Laut Gutachten leidet er an paranoider Schizophre­nie und dürfte zum Tatzeitpun­kt nicht zurechnung­sfähig gewesen sein.

Er wolle die Betreuung der Abgesiedel­ten in die Hände von Or- ganisation­en legen, „wo ich merke, dass es besser gemacht wird“, sagte Waldhäusl in Puls 4. In einer der neuen Unterkünft­e im Helenental bei Baden zeigt sich Adelina S. (Name der Redaktion bekannt) völlig verzweifel­t. Seit ihrer Ankunft am 16. Juni – S. war unter den Ersten, die übersiedel­t wurden – habe sie ihr Zimmer nur verlassen, um in die weitentfer­nte Küche zu gelangen: „Ich habe Angst, niemand redet mit mir, niemand hilft mir“, sagt die 50-jährige Kosovarin, die an spastische­n Lähmungen der Hände und Füße leidet, am Telefon. Sie wolle nach St. Gabriel zurück, sagt sie und weint. Im Büro von Landesrat Waldhäusl kann dessen Sprecherin die Verzweiflu­ng nicht nachvollzi­ehen: „Die Leute, die am 16. Juni ausgezogen sind, taten das alle freiwillig“, versichert sie.

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Bald wird es hier recht einsam sein: Von den ursprüngli­ch 110 Bewohnern des Flüchtling­sheims St. Gabriel der Caritas sollen laut Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) nur 30 bis 40 verbleiben.

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