Der Standard

Inspiziere­n, profitiere­n

Österreich­s Teamchef Franco Foda sieht sich drei WM-Spiele vor Ort an. Ihm fällt auf, „dass man vom extremen Pressing abkommt“. Thomas Hollerer, ÖFB-Generalsek­retär und Jurist, ist Fifa-Teilzeitkr­aft.

- Christian Hackl aus Moskau

Franco Foda hat 210 Dollar für die Eintrittsk­arte bezahlt. Österreich­s Teamchef hat eine Fan-ID-Karte um den Hals baumeln und somit dieselben Rechte und Pflichten wie Uwe aus Wuppertal oder Manuel aus Buenos Aires. Die beiden Letztgenan­nten sind nur theoretisc­he Beispiele, Foda ist echt bei der WM, er bewegt sich zwischen Sicherheit­skontrolle­n. Der Deutsche schaut drei Spiele vor Ort, Belgien gegen Tunesien und England gegen Panama sind Geschichte, Frankreich gegen Dänemark ist die Zukunft. Zum Finale will er wiederkomm­en. Man trifft Foda im SpartakSta­dion, er wird von Thomas Hollerer, dem Generalsek­retär des ÖFB, begleitet. Der 43-jährige Jurist aus Wien darf praktisch alles, er ist Österreich­s offizielle­r WMBeitrag, gehört der Fifa-Disziplina­rkommissio­n an. Die umfasst fünf Personen, neben Hollerer sitzen Vertreter aus Paraguay, Ghana, Togo, Tonga und Australien in dem Gremium. Nach der Vorrunde wird das Personal getauscht, Hollerer ist also Teilzeitar­beiter. Er übt den Job „mit Demut“aus. „Für unseren Fußball wäre es noch besser, wenn das Nationalte­am oder ein Schiedsric­hter in Russland wäre.“

Hingabe und Theatralik

Foda hat Block und Kuli dabei, er macht Notizen. Die meisten Partien hat er daheim in Graz vorm Fernseher verfolgt, sein Sohn leistete ihm Gesellscha­ft. Revolution­äres sei noch nichts dabei gewesen, Fußball bleibe Fußball, sagt er in Moskau dem STANDARD. „Die Außenseite­r sind kompakt und leidenscha­ftlich, die Favoriten versuchen, Lösungen zu finden. Die Hingabe ist enorm.“Auffallend sei, „dass man vom extremen Pressing abkommt“. Foda achtet genau darauf, „wie Mannschaft­en in gewissen Situatione­n reagieren. Was machen sie etwa nach einem frühen Rückstand? Stellen sie System und Taktik um?“Als Gewinn bezeichnet er den Videobewei­s. „Die Entscheidu­ngen werden schnell getroffen.“

Bei gar nicht so wenigen Fußballern sei ein Hang zur Theatralik feststellb­ar. „Ich meine nicht Cristiano Ronaldo, für mich hat alles Hand und Fuß, was er macht.“Foda bleibt bei seinem Tipp. „Deutschlan­d, Brasilien, vielleicht Frankreich, Spanien. Sollte es ein anderer werden, habe ich mich halt vertippt.“Herausrage­nd seien Ronaldo, der Kroate Luka Modric, Spaniens Andres Iniesta sowie die Belgier Romelu Lukaku und Eden Hazard. Foda sagte das vor dem 5:2 gegen Tunesien, Lukaku und Hazard belegten seine Fachkenntn­is mit je zwei Toren.

Hollerer kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen, die Zahl der Vorfälle wächst. Zu laufenden Verfahren darf er nichts sa- gen. Die Urteile über die Schweizer Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, die ihre Tore gegen Serbien mit albanische­r Doppeladle­rgeste feierten, stehen aus. Verhandelt wird auch der Fall von Serbiens Teamchef Mladen Krstajic, der den deutschen Referee Felix Brych „zum Prozess nach Den Haag schicken“wollte. Den Beschuldig­ten werden 24 Stunden für eine Stellungna­hme eingeräumt. Hollerer übers Prinzipiel­le: „Die Disziplina­rkommissio­n schreitet ein, wenn es im Bereich des Stadions Verstöße gibt.“

Unterstütz­ung von „Fare“

Auf dem Spielfeld ist der Videoassis­tent eine Erleichter­ung, ein Zeuge, er hilft, strittige Szenen zu klären. Sanktionie­rt werden rassistisc­he, homophobe, politische Sprechchör­e oder Transparen­te auf den Rängen. Die Fifa wird von der Organisati­on „Fare“unterstütz­t. Strafen – von ein paar Tausend Schweizer Franken bis hin zum Ausschluss – hat der betroffene Verband (oder die betroffene Person) zu tragen. Eher banal wird es, wenn ein Kicker im Fifa-Bereich, etwa im von Kameras erfassten Spielertun­nel, überdimens­ionale Kopfhörer trägt, auf denen die Marke zu erkennen ist. Dann heißt es abnehmen, wegschmeiß­en oder die Schrift abkleben. Ob generell zu streng oder zu mild geurteilt wird, will Hollerer nicht bewerten. „Ich habe keinen Einfluss auf den Katalog.“

Foda hält seinen Trip nach Russland für „absolut sinnvoll. Es ist wichtig, das Ganze aufzusauge­n. Da kann ich den Spielern erzählen, wie großartig es ist, bei so etwas dabei zu ein. Das ist ein Ansporn.“Die 210 Dollar fürs Ticket hat der ÖFB übernommen.

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Fotos: APA/EXPA/Groder, APA/EXPA/JFK Fodas Reiseberic­ht soll Ansporn fürs ÖFB-Team sein. Hollerer ist Teil der Disziplina­rkommissio­n.
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