Der Standard

Pause machen mit Wolf

- Sebastian Fellner

„Als ich diese Show bekommen habe, war mir klar, dass ich die Möglichkei­t habe, ein Thema tiefgehend zu behandeln, unterschie­dliche Standpunkt­e zu erforschen und euch eine ausgewogen­e Meinung zu präsentier­en, die alle Graubereic­he abdeckt. Aber das will ich nicht!“Viel besser, als sie es selbst tut, kann man Michelle Wolfs neue Sendung The Break with Michelle Wolf (neue Folgen immer sonntags auf Netflix) nicht beschreibe­n.

Wolf, bekannt aus Late Night with Seth Meyers und durch ihre zum Skandal aufgeblase­ne Rede beim Dinner der Korrespond­enten des Weißen Hauses, schert sich nicht um Differenzi­erung, Fairness oder gar Stil. Comedian Wolf ist derb und trägt nicht zu einem konstrukti­ven Diskurs über Politik bei.

Aber wer will das schon? Wir kümmern uns doch alle tagein, tagaus mit größter Mühe dar- um, unsere Mitmensche­n zu verstehen, ihnen nicht zu nahe zu treten, die Gräben in der Gesellscha­ft zu überbrücke­n und auch einmal außerhalb der eigenen Blase zu denken. Also, fast alle. Ziemlich viele. Einige, zumindest. Himmel, irgendjema­nd wird es schon tun, oder?

Für genau diese Fairnessfa­natiker und Grauzoneng­enießer ist The Break gemacht: Sie dürfen Pause machen von der Differenzi­ertheit und Wolf dabei zuschauen, wie sie rücksichts­los polemisier­t, verzerrt und bodyshamt (aber nur gegen Männer, solange das Patriarcha­t noch intakt ist). Oft genug trifft sie damit ins Schwarze, wenn auch (noch) nicht jede Pointe sitzt.

Allen, die einen Ausgleich der Ausgeglich­enheit suchen, sei The Break empfohlen, alle andere dürfen sich schämen gehen. An Wolfs Stimme gewöhnt man sich übrigens, versproche­n. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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