Der Standard

Lobautunne­l: Alternativ­los ist nur der Tod!

Über völlig verkehrte Verkehrsen­twicklung in Wien – Eine Entgegnung

- Herrmann Knoflacher

Die Behauptung „Knoflacher schadet Wien“( STANDARD vom 19./20.6.2018) ist weder originell noch für mich neu. Sie begleitet mich von meinen Planungen für die Fußgängerz­onen in der City über die „Rettung der Ringstraße­nbahnen“, meine Planungen für die Revitalisi­erung des Rad- und des öffentlich­en Nahverkehr­s durch Freimachen der Straßenbah­ngleise vom Autoverkeh­r, die flächenhaf­te Verkehrsbe­ruhigung, Parkraumbe­wirtschaft­ung, Tempo-30-Zonen, das LkwNachtfa­hrverbot bis hin zu vielen anderen in der Zwischenze­it längst realisiert­en Maßnahmen.

Keine der Maßnahmen hat der Stadt Wien, versteht man damit die Wiener Bevölkerun­g, Wiener Wirtschaft und die einmalige Kultur dieser Stadt, geschadet, sondern dazu beigetrage­n, dass Wien heute internatio­nal Spitzenpos­itionen in den Bewertunge­n erreicht und Preise für Verkehrslö­sungen gewinnt. Die Quelle für die obige Behauptung ist immer die gleiche: Es sind die Eigennützi­gen, die ihre Geschäftsm­odelle im Auge haben, ohne Rücksicht auf die Stadt.

Um Positionen zu verstehen, sollte man die Zusammenhä­nge kennen. Die S1, ein Relikt aus Planungsvo­rstellunge­n der 60er-Jahre, war im Verkehrsko­nzept 1980, von dem alle wesentlich­en zukunftsor­ientierten Maßnahmen stammen, nicht mehr vorhanden. Im Verkehrsko­nzept 1993, an dem Verkehrspl­aner Werner Rosinak federführe­nd beteiligt war, tauchte dieses Fossil antiquiert­er Planung plötzlich wieder auf. Fachlich nicht nachvollzi­ehbar, wohl von der Baulobby und den Ingenieurb­üros bestellt, meinte Prof. Wiedenhöft aus den USA. Im Generalver­kehrsplan 2002 tauchte die Trasse wieder auf Bundeseben­e auf. Koordinato­r war Rosinak.

Wirkungen von Waschmasch­inen oder Krankenhäu­sern mit jenen von Fahrbahnba­uten zu vergleiche­n mag zwar lustig klingen, beweist aber eine solide Unkenntnis von den komplexen, in der Zwischenze­it bekannten Effekten von Verkehrsma­ßnahmen.

Dieses Problem ist aber lösbar: Die Grundvorle­sung am Institut für Verkehrswi­ssenschaft­en der TU Wien, wo diese Systemwirk­ungen gelehrt werden, ist öffentlich. Wer diese versteht, kann dann nicht mehr hilflos der Eigendynam­ik des Autoverkeh­rs und dem „Verkehrsko­llaps“gegenübers­tehen, weil er weiß, dass dieser nicht passiert, sondern gemacht wird. Wenn die Expertengr­uppe, die ja nicht aus unabhängig­en Fachleuten, sondern auch aus Beamten der Stadt und Auftragneh­mern der Asfinag bestand, in ihrer als „zweiter Studie“bezeichnet­en Meinung zu dem Ergebnis „Der Tunnel ist alternativ­los“kam, dann disqualifi­ziert sie sich damit selbst. Denn „alternativ­los“waren für die Uraltplane­r auch die Autobahnen der 1960er-Jahre am Gürtel und am Donaukanal, die zum Glück für die Stadt nie gebaut wurden. Alternativ­los ist nur der Tod. Alternativ­en zum Lobautunne­l, die zu einer vitalen, starken Stadtentwi­cklung führen (und auch von der Expertengr­uppe als unumgängli­ch gesehen werden), findet man in unserer Studie.

HERRMANN KNOFLACHER war Professor am Institut für Verkehrspl­anung der Technische­n Universitä­t Wien.

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