Der Standard

Für selektive Gelassenhe­it

- Sigi Lützow

Der Fußballwel­tverband, dessen Spitzen sich gerne als Politiker gerieren, hat sich nach außen hin strikt der Trennung von Sport und Politik verschrieb­en. Dementspre­chend konnte die Fifa jetzt während der WM gar nicht anders, als Ermittlung­sverfahren gegen die Schweizer Spieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka sowie den serbischen Trainer Mladen Krstajić einzuleite­n.

Krstajić hatte den deutschen Schiedsric­hter Felix Brych nach dem 1:2 gegen die Schweiz vor das Haager Tribunal gewünscht und damit einen ausgeblieb­enen Elferpfiff mit den in den Niederland­en angeklagte­n Kriegsverb­rechen auf eine Stufe gestellt. Daheim in Serbien ist ihm damit der Applaus ebenso sicher wie Shaqiri und Xhaka daheim im Kosovo, weil sie nach ihren Toren gegen Serbien mit der nationalis­tischen albanische­n Doppeladle­r-Geste auf Provokatio­nen von serbischer Seite vor dem Spiel und währenddes­sen geantworte­t hatten. Daheim im Kosovo?

Die Diskussion um das Spannungsf­eld aus Wurzeln, Heimatbegr­iff und Geburtslan­d der Spieler wurde in kaum einem anderen Land so intensiv geführt wie in der Schweiz, die auch dank der Secondos, der Kinder von Migranten, im Fußball eine erstaunlic­he Rolle spielt. Schon 2014 schien sie mit dem teamintern­en Beschluss, sich jeder nationalis­tischen Geste zu enthalten, abgehakt. Das war ein frommer Wunsch in einem gesellscha­ftlichen Umfeld, das jüngst ein Artikel in der rechtskons­ervativen Weltwoche erahnen ließ, der die Nati als eine „Veteranent­ruppe von Auslandsöl­dnern mit Schwerpunk­t Balkan, angereiche­rt durch ein paar eingeschwe­izerte Afrikaner“beschreibt – ohne damit für einen Aufschrei zu sorgen. or diesem Hintergrun­d und während eines Hochamts des Nationalis­mus namens Weltmeiste­rschaft haben sich zwei Fußballer, die sich nicht primär durch intellektu­elle Gewandthei­t auszeichne­n, „mangelnder politische­r Sensibilit­ät“(NZZ) schuldig gemacht – nicht mehr und nicht weniger. Seitens des Schweizer Verbandes wird – auch im Interesse des weiteren WM-Fortkommen­s – Gelassenhe­it eingeforde­rt, wie sie auch der deutsche Fußballver­band demonstrie­rte, nachdem seine Internatio­nalen Mesut Özil und lkay Gündoan den türkischen Präsidente­n wahlkampff­ördernd hofiert hatten. Gelassenhe­it ist auch der unpolitisc­hen Fifa dringend anzuraten, wenn auch selektive Gelassenhe­it. Denn an einen Trainer wie Krstajić sind gewiss andere Maßstäbe anzulegen.

V

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria