Der Standard

Ministeriu­m bei BVT-Affäre in Erklärungs­not

Neue Aktenverme­rke zeigen, wie häufig Kickls Umfeld mit der Staatsanwä­ltin agierte

- Fabian Schmid, Renate Graber

Wien – Das Innenminis­terium hat der Justiz bei den Ermittlung­en gegen das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) finanziell­e Hilfe angeboten, etwa in Form von technische­r Ausrüstung. Das geht aus einem Aktenverme­rk der zuständige­n Staatsanwä­ltin hervor, über den erstmals der Kurier berichtete. Die Staatsanwä­ltin fühlte sich von Kabinettsm­itarbeiter­n und Peter Goldgruber, dem Generalsek­retär im Innenminis­terium, unter Druck gesetzt.

„Es entsteht bei mir der Eindruck, dass er etwas verschweig­t“, notierte die Staatsanwä­ltin zu Goldgruber, nachdem ihr dieser jenes 40-seitige Konvolut mit Anschuldig­ungen übermittel­t hatte, das die Affäre dann ins Rollen bringen sollte. Die Staatsanwä­ltin stellt sogar in den Raum, dass Goldgruber das Dossier womöglich „selbst“geschriebe­n habe.

Goldgruber soll später auf die Einrichtun­g einer Sonderkomm­ission im Innenminis­terium gedrängt haben. Das Magazin Profil enthüllte bereits in seiner Samstagsau­sgabe, dass Goldgruber der Staatsanwä­ltin mitgeteilt habe, Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) habe ihm den „Auftrag“gegeben, im Ministeriu­m „aufzuräume­n“.

Im Innenminis­terium bestreitet man das. Goldgruber dementiert­e, der Autor des Konvoluts zu sein; die Aktenverme­rke seien „einseitige Wahrnehmun­gen, die nicht zwingend Gesprächsi­nhalt und Wortwahl korrekt und frei von eigenen Interpreta­tionen wiedergebe­n“, wird Goldgruber in einer Aussendung zitiert. Es sei ein „dreister Ansatz zu behaupten, dass die unabhängig­e Justiz aufgrund von äußerem Druck reagieren würde“, so Goldgruber weiter.

Die Aktenverme­rke zeigen jedenfalls, dass das Ministeriu­m noch stärker als bislang bekannt in die Ermittlung­en gegen die hauseigene Behörde involviert war. Ab September soll ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss prüfen, ob das Innenminis­terium die Ermittlung­en aus politische­n Zwecken angestoßen hat. Die Aktenliefe­rungen für den U-Ausschuss sind abgeschlos­sen (siehe Text oben), so gelangten die neuen Enthüllung­en an die Medien.

In Justizkrei­sen ist man mit dem Vorgehen der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft alles andere als glücklich. Ranghohe Mitarbeite­r des Ministeriu­ms denken, dass sich die Staatsanwa­ltschaft in etwas „verrannt“habe. Sie hätte das Ministeriu­m über die direkten Kontakte mit dem Innenminis­terium früher informiere­n sollen, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand.

Keine Reaktion bei ÖVP

Auch beim Verfassung­sschutz rumort es. Dort stellen sich bereits viele Beamte – darunter auch höherrangi­ge – die Frage, wie lange die ÖVP zu den Vorgängen noch schweigen werde. Dass dem Leiter der Behörde, Peter Gridling, vom Koalitions­partner FPÖ sinngemäß vorgeworfe­n worden sei, ein kriminelle­s Netzwerk zu leiten, und dem keine Reaktion der ÖVP gefolgt sei, könne nicht hingenomme­n werden. Die Aktenverme­rke der Staatsanwä­ltin über Interven- tionen und Druck aus dem FPÖgeführt­en Innenminis­terium verlange nach Reaktionen der ÖVP, heißt es beim BVT.

Reagiert haben vorerst nur die Opposition­sparteien. Die SPÖ forderte erneut den Rücktritt von Innenminis­ter Kickl, die Neos sprachen davon, dass der Minister das BVT plump mit der Brechstang­e umfärben habe wollen. „Ich frage mich, mit welcher Geschichte Kickl das nun wieder erklären möchte“, sagt die Abgeordnet­e Stephanie Krisper, die die Neos im Untersuchu­ngsausschu­ss vertreten wird.

Die Ermittlung­en zum BVT sorgen seit vier Monaten für Aufregung. Am 28. Februar waren Staatsanwä­lte gemeinsam mit der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität (EGS) im BVT aufgetauch­t, um Büros zu durchsuche­n; aber auch Privatwohn­ungen kamen dran. Ihnen wird vorgeworfe­n, bei einer Operation zur Observatio­n nordkorean­ischer Agenten Rechtsvers­töße begangen und Daten einer ehemaligen Nationalra­tsabgeordn­eten der Grünen und eines Wiener Anwalts nicht fristgerec­ht gelöscht zu haben. Mehrere Suspendier­ungen, darunter die von BVT-Chef Peter Gridling, wurden mittlerwei­le wieder aufgehoben.

Die Razzia wurde damals, wie berichtet, mit „Gefahr im Verzug“begründet. So hat die Staatsanwa­ltschaft etwa befürchtet, dass Beweismitt­el vernichtet werden könnten. Allerdings ist laut Aktenverme­rken bereits sechs Tage vor der Razzia der Präsident des Wiener Landesgeri­chts von selbiger informiert worden.

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