EU will Reihe von Flüchtlingszentren in Afrika eröffnen
Keine Einigung im deutschen Asylstreit Wien richtet Migrations-„Taskforce“ein
Brüssel/Wien – Vor dem heute, Donnerstag, beginnenden Gipfeltreffen der 28 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel wurden erste Eckpunkte der offenbar angestrebten Neuerungen im Umgang mit der Migration bekannt. Flüchtlingszentren in Afrika sollen zu einem permanenten Instrument der EU-Migrationspolitik werden, hieß es am Mittwoch aus Kreisen der EU-Ratspräsidentschaft. Als Vorbild wurde dabei der EU-Türkei-Deal genannt
In Deutschland gelang es nach dem gescheiterten Koalitionsgipfel auch am Mittwoch nicht, den zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU herrschenden Asylstreit zu beenden.
Die österreichische Regierung hat die Einrichtung einer „Taskforce“zur Beobachtung der Zuwanderung am Mittwoch verteidigt. Man müsse vorbereitet sein, sollte sich die Situation wieder verschlechtern, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Taskforce soll die Entwicklung auf den verschiedenen Flüchtlingsrouten beobachten und „unverzüglich entsprechende Entscheidungen im Migrationsmanagement treffen“. Die EU-Kommission hatte zuvor bekanntgegeben, dass die Zahl über das Mittelmeer kommender Flüchtlinge weiter zurückgeht. (red)
Beim letzten EU-Gipfel vor der Sommerpause finden die 28 Staats- und Regierungschefs eine so prall gefüllte Tagesordnung vor wie seit Jahren nicht. Allein für den Start heute, Donnerstag, hat der ständige Ratspräsident Donald Tusk acht schwergewichtige Themen vorbereitet, zu denen unter bulgarischem EUVorsitz seit Anfang Jänner bisher keine wesentlichen Entscheidungen getroffen wurden. Sie sind nun „Chefsache“.
Aus österreichischer Sicht hat das insofern Bedeutung, als die Regierung am Sonntag, 1. Juli, offiziell die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und bis Jahresende alles, was unerledigt und zwischen Mitgliedsstaaten, EU-Kommission und nicht zuletzt dem Parlament in Straßburg umstritten ist.
Der Gipfel wird total überschattet sein von den Problemen, die die Union bei ihrer gemeinsamen Migrationspolitik hat. Zentral ist die seit 2015 ungelöste Frage, wie man Flüchtlinge von Wirtschaftsmigranten trennt, die anerkannten Asylwerber dann fair auf die Staaten verteilt. Der heftige Koalitionsstreit in Deutschland hat das zuletzt noch befeuert (siehe Seite 3).
Tusk hat für die Debatte der Regierungschefs darüber das Arbeitsabendessen am Donnerstag freigeräumt. Davor und danach wird EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani darauf drängen, dass die „Chefs“den langfristigen EU-Budgetrahmen noch vor den EU-Wahlen im Frühjahr 2019 beschließen. Mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gibt es eine Aussprache über Fortschritte der Sicherheitskooperation, Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker werden über das G7-Treffen in Kanada und zu US-Sanktionen berichten.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron klären ihre Kollegen über den aktuellen Stand in der Ukrainekrise auf. Das alles findet sich dann in den Schlusserklärungen, deren Entwurf dem Standard vorliegt: auch die Bereitschaft, 2019 eventuell die EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien zu starten.
Schließlich wird die britische Premierministerin Theresa May berichten, was London für die Zeit nach dem Brexit vorhat und ob ein Verhandlungsabschluss bis November scheitern könnte.
Man könnte also meinen, dass für das Thema Migration kaum Zeit bleibt. „Es könnte eine lange Nacht werden“, sagen mit der Vorbereitung befasste Diplomaten. Seit dem Sondergipfel am Sonntag wurde rund um die Uhr daran gearbeitet, einige konkrete Vorhaben unter Dach und Fach zu bringen. Tusk hat das komplexe Thema in drei Bereiche aufgesplittet: die „externe“Dimension, sprich Maßnahmen, die die Union mit afrikanischen Staaten setzen möchte. Dann die verstärkte Sicherung der EU-Außengrenzen im Mittelmeer durch Aufstockung der Grenzschutzbehörde Frontex. Es soll dazu an EU-Abkommen mit nordafrikanischen Staaten gearbeitet werden, um die illegale Migration und das Schlepperwesen zu beenden, wie Tusk schrieb. Vorbild ist das EU-Türkei-Abkommen von 2016. Die EU-Chefs träumen nun davon, dass sie auch in Marokko, Tunesien oder sogar in Libyen „Landungsplattformen“errichten können. Schließlich gibt es die „innere Dimension“der Migrationsprobleme“(siehe unten).
So wie bei den Vorschlägen zur Reform der Eurozone, der man sich am Freitag widmen wird, sind zur Migration keine konkreten Entscheidungen zu erwarten, sondern Absichtserklärungen, wie man sie bereits beim EU-Gipfel in Malta im Februar 2017 zu Papier gebracht hatte – die Regierung in Wien wird geduldig sein müssen.