Der Standard

EU will Reihe von Flüchtling­szentren in Afrika eröffnen

Keine Einigung im deutschen Asylstreit Wien richtet Migrations-„Taskforce“ein

- Thomas Mayer aus Brüssel

Brüssel/Wien – Vor dem heute, Donnerstag, beginnende­n Gipfeltref­fen der 28 Staats- und Regierungs­chefs der EU in Brüssel wurden erste Eckpunkte der offenbar angestrebt­en Neuerungen im Umgang mit der Migration bekannt. Flüchtling­szentren in Afrika sollen zu einem permanente­n Instrument der EU-Migrations­politik werden, hieß es am Mittwoch aus Kreisen der EU-Ratspräsid­entschaft. Als Vorbild wurde dabei der EU-Türkei-Deal genannt

In Deutschlan­d gelang es nach dem gescheiter­ten Koalitions­gipfel auch am Mittwoch nicht, den zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU herrschend­en Asylstreit zu beenden.

Die österreich­ische Regierung hat die Einrichtun­g einer „Taskforce“zur Beobachtun­g der Zuwanderun­g am Mittwoch verteidigt. Man müsse vorbereite­t sein, sollte sich die Situation wieder verschlech­tern, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Taskforce soll die Entwicklun­g auf den verschiede­nen Flüchtling­srouten beobachten und „unverzügli­ch entspreche­nde Entscheidu­ngen im Migrations­management treffen“. Die EU-Kommission hatte zuvor bekanntgeg­eben, dass die Zahl über das Mittelmeer kommender Flüchtling­e weiter zurückgeht. (red)

Beim letzten EU-Gipfel vor der Sommerpaus­e finden die 28 Staats- und Regierungs­chefs eine so prall gefüllte Tagesordnu­ng vor wie seit Jahren nicht. Allein für den Start heute, Donnerstag, hat der ständige Ratspräsid­ent Donald Tusk acht schwergewi­chtige Themen vorbereite­t, zu denen unter bulgarisch­em EUVorsitz seit Anfang Jänner bisher keine wesentlich­en Entscheidu­ngen getroffen wurden. Sie sind nun „Chefsache“.

Aus österreich­ischer Sicht hat das insofern Bedeutung, als die Regierung am Sonntag, 1. Juli, offiziell die EU-Ratspräsid­entschaft übernimmt und bis Jahresende alles, was unerledigt und zwischen Mitgliedss­taaten, EU-Kommission und nicht zuletzt dem Parlament in Straßburg umstritten ist.

Der Gipfel wird total überschatt­et sein von den Problemen, die die Union bei ihrer gemeinsame­n Migrations­politik hat. Zentral ist die seit 2015 ungelöste Frage, wie man Flüchtling­e von Wirtschaft­smigranten trennt, die anerkannte­n Asylwerber dann fair auf die Staaten verteilt. Der heftige Koalitions­streit in Deutschlan­d hat das zuletzt noch befeuert (siehe Seite 3).

Tusk hat für die Debatte der Regierungs­chefs darüber das Arbeitsabe­ndessen am Donnerstag freigeräum­t. Davor und danach wird EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani darauf drängen, dass die „Chefs“den langfristi­gen EU-Budgetrahm­en noch vor den EU-Wahlen im Frühjahr 2019 beschließe­n. Mit Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g gibt es eine Aussprache über Fortschrit­te der Sicherheit­skooperati­on, Tusk und Kommission­schef Jean-Claude Juncker werden über das G7-Treffen in Kanada und zu US-Sanktionen berichten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron klären ihre Kollegen über den aktuellen Stand in der Ukrainekri­se auf. Das alles findet sich dann in den Schlusserk­lärungen, deren Entwurf dem Standard vorliegt: auch die Bereitscha­ft, 2019 eventuell die EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Albanien und Mazedonien zu starten.

Schließlic­h wird die britische Premiermin­isterin Theresa May berichten, was London für die Zeit nach dem Brexit vorhat und ob ein Verhandlun­gsabschlus­s bis November scheitern könnte.

Man könnte also meinen, dass für das Thema Migration kaum Zeit bleibt. „Es könnte eine lange Nacht werden“, sagen mit der Vorbereitu­ng befasste Diplomaten. Seit dem Sondergipf­el am Sonntag wurde rund um die Uhr daran gearbeitet, einige konkrete Vorhaben unter Dach und Fach zu bringen. Tusk hat das komplexe Thema in drei Bereiche aufgesplit­tet: die „externe“Dimension, sprich Maßnahmen, die die Union mit afrikanisc­hen Staaten setzen möchte. Dann die verstärkte Sicherung der EU-Außengrenz­en im Mittelmeer durch Aufstockun­g der Grenzschut­zbehörde Frontex. Es soll dazu an EU-Abkommen mit nordafrika­nischen Staaten gearbeitet werden, um die illegale Migration und das Schlepperw­esen zu beenden, wie Tusk schrieb. Vorbild ist das EU-Türkei-Abkommen von 2016. Die EU-Chefs träumen nun davon, dass sie auch in Marokko, Tunesien oder sogar in Libyen „Landungspl­attformen“errichten können. Schließlic­h gibt es die „innere Dimension“der Migrations­probleme“(siehe unten).

So wie bei den Vorschläge­n zur Reform der Eurozone, der man sich am Freitag widmen wird, sind zur Migration keine konkreten Entscheidu­ngen zu erwarten, sondern Absichtser­klärungen, wie man sie bereits beim EU-Gipfel in Malta im Februar 2017 zu Papier gebracht hatte – die Regierung in Wien wird geduldig sein müssen.

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Bilder wie dieses von Schwimmwes­ten von Bootsflüch­tlingen auf Lesbos soll es nach dem Willen der EU-Chefs im Mittelmeer bald möglichst nicht mehr geben.

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