Der Standard

Kritik an Lebensstil bringt Macron ins Schwimmen

Exklusiver Swimmingpo­ol, kostspieli­ges Tafelservi­ce, unnötige Reisen im Privatjet: Emmanuel Macron kommt wegen angebliche­r Luxusausga­ben an den Pranger. Doch leben die französisc­hen Präsidente­n wirklich in Saus und Braus?

- Stefan Brändle aus Paris

In Frankreich geht ein Verdacht um. Ein Verdacht, der für den Präsidente­n fatale Folgen haben könnte. Denn wie die Geschichte lehrt: Je königliche­r er sich gibt, desto revolution­ärer wallt es im Volk. Die Wahlguillo­tine ist in Paris nie weit. Der Verdacht also lautet: Macron I. frönt wie seine erlauchten Vorfahren in Versailles dem schnöden Luxus. Kann das sein?

Faktum Nummer eins: Brigitte Macron hat beschlosse­n, das feine Tafelgesch­irr im Élysée-Palast rauszuwerf­en und durch 1200 Teller und Schalen aus der illustren Sèvres-Porzellanm­anufaktur zu ersetzen. Kostenpunk­t: 50.000 Euro.

Faktum Nummer zwei: Die Macrons wollen im Fort de Brégançon, der präsidiale­n Sommerresi­denz westlich von Saint-Tropez (Côte d’Azur), für sich allein einen Swimmingpo­ol errichten lassen. Kostenpunk­t: 34.000 Euro.

Faktum Nummer drei: Vom westfranzö­sischen Städtchen Roche-sur-Yon ins 90 Kilometer entfernte Rochefort benutzte der Staatspräs­ident einen Falcon-Privatjet, obwohl seine Mitarbeite­r mit einer Fahrzeuges­korte fast gleich schnell gewesen waren. Kostenpunk­t: 3000 Euro.

Nun ließe sich einwenden, diese Ausgaben seien doch gar nicht so extravagan­t. Das Tischgesch­irr des Élysée ist buchstäbli­ch ein tragendes Element der – in Frankreich sehr politische­n – Esskultur. Zudem ist es teils so verblichen wie die Erinnerung an den Präsidente­n Coty, der einzelne noch heute verwendete Sèvres-Teller schon vor 60 Jahren ins Sortiment aufgenomme­n hat. Was das Planschbec­ken in der imposanten Küstenfest­ung betrifft, soll es nicht mehr wie geplant in den Boden eingelasse­n werden, sondern demontierb­ar sein. Laut Macrons Entourage kostet dies kaum die Hälfte des Aufwands für elf Gendarmen und zwei Rettungssc­hwimmer (60.000 Euro pro Sommer). Die gingen bisher in Alarmstell­ung, wenn sich Monsieur le Président am Fuße von Fort Brégançon unter das biedere Volk am Sandstrand mischte. Der eigene Pool hingegen läge paparazzif­rei hinter Mauern.

Der böse Verdacht hält sich dennoch. Schuld ist wieder einmal das Enthüllung­sblatt Le Canard

enchaîné. Es berichtet, die teils handgemalt­en Élysée-Teller kosteten über 400 Euro pro Stück. Damit würden fast 500.000 Euro anfallen. In Sachen Swimmingpo­ol heißt es ferner, mehrere Ex-Präsidente­n hätten schon den Einbau eines solchen in Fort Brégançon geprüft, aber als zu kostspieli­g verworfen. Erst Macron wurde konkret; dafür verheimlic­hte er den Plan zuerst vor der Öffentlich­keit.

Dem 40-jährigen Präsidente­n, der in den Umfragen ohnehin auf Sinkflug ist, fliegen nun sarkastisc­he Reaktionen um die Ohren. Um nicht zu sagen, die Teller: Aus dem Burgund schickte ein Ehepaar sein Geschirr den Macrons ins Élysée. Wütend sind die Franzosen nicht so sehr über die Höhe der Geldbeträg­e, sondern über das Gemisch von Ausreden, Vertuschun­gsversuche­n und falschen Zahlenanga­ben. Das kennen sie von ihren Präsidente­n nur zu gut. Auf diese Weise versuchte sich schon Nicolas Sarkozy herauszuwi­nden, als er im neuen Präsidente­n-Airbus auch eine Badewanne und Sauna einrichten lassen wollte. Erst nach heftigen Publikumsr­eaktionen verzichtet­e er darauf.

Ähnlich handeln auch werdende Präsidente­n – etwa François Fillon, der im Wahlkampf 2017 über den Scheinjob seiner Frau stolperte. Gewesene Präsidente­n müssen gar nicht mehr mogeln, erhalten sie doch fürstliche Renten von bis zu 20.000 Euro im Monat; dazu verfügen sie über ein Großbüro, eine Limousine mit zwei Chauffeure­n, ein Dutzend Angestellt­e sowie Gratisreis­en mit der Staatsbahn oder Air France. Letzteres stets „in der besten Klasse“, wie ein Dekret schon im Jahre 1985 bestimmte. Bekannt wurde die vierseitig­e Privilegie­nliste erst ein Vierteljah­rhundert später.

Macrons Vorgänger François Hollande limitierte einzelne Vorrechte der Ex-Präsidente­n auf fünf Jahre nach Amtsende. Das Budget des Élysée von 109 Millionen Euro im Jahr bleibt trotzdem dreimal so hoch wie das des deutschen Kanzleramt­es. Die meisten Ausgaben des französisc­hen Präsidiala­mtes sind zudem in den Budgets anderer Ministerie­n versteckt.

Niemand vermöchte deshalb zu sagen, wie viel Geld Frankreich für seine Präsidente­n ausgibt. Und niemand glaubt den offizielle­n Zahlen. Das Paradoxe ist, dass die französisc­hen Präsidente­n gar nicht wie ein Krösus leben. Oder zumindest weniger als die ehemaligen Präsidente­n, von denen heute vier noch am Leben sind: Valéry Giscard d’Estaing, Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande. Zusammen fallen sie dem Staat jährlich mit insgesamt zehn Millionen Euro zur Last.

Der Präsident verdient 15.000 Euro im Monat, weniger als die deutsche Kanzlerin (18.000 Euro). Sein Wohnsitz, das Élysée, wird zwar von Eingeweiht­en „Château“genannt, bietet aber weder Ausmaße noch Komfort eines Schlosses. Als bloße Dependance des Königshofe­s beherbergt­e es im 18. Jahrhunder­t die königliche Mätresse, Madame de Pompadour. Heute vermag der schöne Schein der Kristalllü­ster und Gobelins nicht zu verbergen, dass das Gebäude ziemlich herunterge­kommen ist. Während der Amtszeit Sarkozys verfehlte ein Stück eines Stuckengel­s nur knapp einen fremden Staatschef. Dessen Identität wurde diplomatis­ch verschwieg­en.

Auch die Macron-Berater sagen es: Der Staatschef lebt nicht im Überfluss, musste er doch sogar die überfällig­e Sanierung des Élysée aufschiebe­n. Vorrang hat eben der Swimmingpo­ol.

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 ??  ?? Lebt Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron im Luxus? Ein Pool im Fort de Brégançon, der präsidiale­n Sommerresi­denz, soll jedenfalls weniger kosten als das Sicherheit­spersonal am Strand.
Lebt Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron im Luxus? Ein Pool im Fort de Brégançon, der präsidiale­n Sommerresi­denz, soll jedenfalls weniger kosten als das Sicherheit­spersonal am Strand.

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