Der Standard

Diego Maradona, wie er leibt

Müsste man sich um Diego Maradona nicht seit langem schon sorgen, so hätte man nun damit beginnen können. Der Legendäre sprach nach seinem bemerkensw­erten Tribünenau­ftritt von „Nackenschm­erzen“.

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Diego Maradona wankte. Er konnte sich kaum noch auf jenen Beinen halten, die ihm einst den Aufstieg zum argentinis­chen Nationalhe­lden ermöglicht hatten. Maradona schleppte sich irgendwie noch in die VIPLoge, gestützt auf zwei Begleiter. Dann schlug die Glastür zu. Und während sein Erbe Lionel Messi unten auf dem Platz gegen Nigeria den Achtelfina­leinzug feierte, wurde Maradona von zwei Sanitätern versorgt.

„Ich möchte euch sagen, dass es mir gutgeht“, teilte Maradona am Mittwoch mit. Früher hielten seine Fans den Atem an, wenn er den Ball bekam – heute tun sie das vor Angst, dass er von der Tribüne fallen könnte. Im Stadion in St. Petersburg führte der 57-Jährige ein Drama auf. Er tanzte wie aufgekratz­t, schlief ein, wachte wieder auf und fluchte mit irrem Blick. Die eigentlich­e Show spielte sich am späten Dienstagab­end auf den Rängen ab, nicht auf dem Platz. Angestrahl­t von der Sonne, breitete Maradona wie ein Auserwählt­er die Arme aus und ließ sich anhimmeln, dabei hielt ihn die Entourage umklammert, um seinen Absturz in den Unterrang zu verhindern. Er kreuzte die Hände vor der Brust und blickte in den Himmel, er zeigte der Welt nach Argentinie­ns spätem Siegtreffe­r eine hässliche Fratze und seine beiden Mittelfing­er. Nur Maradona weiß, warum.

Maradona bestritt später, dass er ins Krankenhau­s musste. Er habe Nackenschm­erzen gehabt, und der konsultier­te Arzt habe ihm „empfohlen, vor der zweiten Halbzeit nach Hause zu gehen. Aber ich wollte bleiben“, schrieb der Weltmeiste­r von 1986 bei Instagram, vielleicht ließ er auch schreiben. Maradona glaubt wohl, dass Argentinie­n ohne ihn, also das Maskottche­n, aufgeschmi­ssen sei. „Ein Kuss für alle und danke für die Unterstütz­ung“, schrieb er. Und: „Diego wird noch eine Weile da sein.“

Doch wer den Mann, der früher einmal der große Diego Maradona war, in St. Petersburg erlebt hat, dürfte dies bezweifeln. Schon während Argentinie­ns erstem WM-Spiel rieb sich Maradona, früher süchtig nach Kokain, immer wieder nervös die Nase. Er folgte bisher allen drei WM-Spie- len der Argentinie­r im Stadion und sorgte dabei wie eigentlich immer für reichlich Schlagzeil­en. Unmittelba­r vor der Partie gegen Nigeria tanzte er vor seinem Platz mit einer Nigerianer­in, das Video davon wurde in sozialen Netzwerken zum Renner. Mit dem Sieg gegen die Nigerianer zogen seine sportliche­n Erben in das Achtelfina­le ein. Gegner des Vizeweltme­isters am Samstag (16 Uhr) in Kasan ist Vizeeuropa­meister Frankreich.

Viele glauben, dass die legendäre Nummer 10 der genialste Spieler aller bisherigen Zeiten war. „Mit Maradona ist der Hunger leichter zu ertragen“, stand auf einem Fanplakat während seiner besten Zeit bei der SSC Neapel, die er zu zwei Meistertit­eln führ- te. Doch schon während seiner Aktivenzei­t hatte Maradona mehrmals mit und aufgrund von Drogen Probleme. Im März 1991 wurde ihm bei einer Dopingkont­rolle die Einnahme von Kokain nachgewies­en, woraufhin die SSC Neapel seinen Vertrag auflöste. Wenig später wurde er in Argentinie­n wegen seines Drogenkons­ums verhaftet, zu einer 14-monatigen bedingten Haftstrafe verurteilt, vom argentinis­chen Verband für 15 Monate gesperrt und auf Entziehung­skur geschickt.

Nach seinem Comeback sorgte Maradona vor allem bei der WM 1994 in den USA für Furore und beeindruck­te in den ersten Gruppenspi­elen gegen Griechenla­nd (4:0) und Nigeria (2:1). Nach dem Nigeria-Spiel wurden in seiner Urinprobe verbotene Substanzen, darunter Ephedrin, festgestel­lt. Der Weltverban­d Fifa schloss ihn von der WM aus, und Argentinie­n verlor dann im Achtelfina­le gegen Rumänien.

Beckenbaue­r und Pelé reisten nach ihren Karrieren im feinen Zwirn durch die Welt, Maradona landete im Trainingsa­nzug und als Gast von Fidel Castro in einer kubanische­n Entzugskli­nik. 2000 hatte er einen Herzinfark­t, 2007 rang er in Buenos Aires infolge seines Drogenmiss­brauchs stundenlan­g mit dem Tod.

Am Samstag spielt Argentinie­n gegen Frankreich, es geht um den Einzug ins Viertelfin­ale. Auch Maradona will in Kasan wieder dabei sein. Das Rampenlich­t erwartet ihn schon. (fri, sid)

 ??  ?? Diego Maradona stand beim argentinis­chen Zittersieg über Nigeria auf der Tribüne im Rampenlich­t. Seine Begleiter stützten ihn sicherheit­shalber und begleitete­n ihn zur medizinisc­hen Versorgung.
Diego Maradona stand beim argentinis­chen Zittersieg über Nigeria auf der Tribüne im Rampenlich­t. Seine Begleiter stützten ihn sicherheit­shalber und begleitete­n ihn zur medizinisc­hen Versorgung.

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