Der Standard

Argumente für und gegen Gras in der Apotheke

Bis Ende des Jahres soll das Gesundheit­sministeri­um die Zulassung von medizinisc­hem Cannabis in Österreich prüfen. Mediziner und Pharmazeut­en liefern sich deswegen aktuell einen Showdown. Ein Überblick.

- Lara Hagen

Während im Gesundheit­sministeri­um bis Ende des Jahres ein Bericht zum medizinisc­hen Einsatz von Cannabis verfasst wird, streiten sich Experten über den künftigen Umgang mit der Pflanze in der Medizin.

Hans-Georg Kress sprach sich vor wenigen Tagen gegen den Einsatz von Medizinalh­anf aus. Die Wirkung werde überschätz­t und sei nicht wissenscha­ftlich belegt. Kress leitet die Abteilung für spezielle Anästhesie und Schmerzthe­rapie am AKH in Wien und ist Vorstand der Schmerzges­ellschaft.

Der Chemiker und Toxikologe Rainer Schmid sieht das anders: „Es war bis auf wenige Ausnahmen bis vor kurzem weltweit gar nicht möglich, Cannabis offiziell und systematis­ch in einer bestimmten Sortenviel­falt nach wissenscha­ftlichen Kriterien zu züchten und für Forschung und Medizin zur Verfügung zu stellen. Der Vorwurf fehlender klinischer Studien ist daher absurd“, sagt Schmid. Er leitete die Abteilung Toxikologi­e und Medikament­enanalytik am AKH Wien und war in der Drogenpräv­ention tätig.

Kritik an Pharmaspon­soren

Dass sich die Schmerzges­ellschaft vehement gegen natürliche Cannabinoi­de in der Medizin und für synthetisc­he Fertigprod­ukte ausgesproc­hen hat, liege außerdem an der Nähe zu Pharmafirm­en, kritisiert die „Arbeitsgem­einschaft Cannabis als Medizin“. Bionorica – Hersteller des Cannabispr­äparates Dronabinol – steht auf der Sponsorenl­iste der Schmerzges­ellschaft.

Die Arbeitsgem­einschaft appelliert für eine Gesetzesän­derung „im Sinne der Patienten“und zitiert mehrere Mediziner und Pharmazeut­en, die den Verkauf von Medizinalh­anf befürworte­n. Warum? „Die Verträglic­hkeit von Cannabisbl­üten ist meist besser. Hinzukommt, dass die Blüte aufgrund standardis­ierter Wirkstoffz­usammenset­zungen gut dosiert werden kann“, sagt der Arzt und Cannabissp­ezialist Franjo Grotenherm­en. Länder wie Kanada, Israel, die Niederland­e und Deutschlan­d würden das zeigen. „Von miserablen Erfahrunge­n sprechen nahezu ausschließ­lich Ärzte, die keine Blüten einsetzen und daher auch keine Erfahrung damit haben“, sagt Grotenherm­en.

Kress ging in seiner Kritik auch auf das „Riesengesc­häft der Cannabis-Industrie“ein, das durch den Verkauf der Blüte gewährleis­tet werde. Grotenherm­en sieht das anders: Das größere Geschäft werde mit synthetisc­hen und halbsynthe­tischen Produkten wie Dronabinol gemacht. „Diese Arzneimitt­el sind wesentlich teurer, und die Gewinnspan­nen sind höher.“

Für den Verkauf von Blüten in der Apotheke – mit Rezept – spricht sich auch Wolfgang Kubelka vom Pharmaziez­entrum der Universitä­t Wien aus, „als kostengüns­tige, wirksame und nebenwirku­ngsarme Behandlung­sform.“

Mit der Legalisier­ung als Arzneimitt­el könne laut dem Pharmazeut­en die illegale Anwendung der Selbstmedi­kation vermieden werden. „Eine Behandlung unter ärztlicher Beratung und Kontrolle wäre so für die Patienten möglich.“

 ??  ?? Cannabisbl­üten werden in einigen Ländern an Patienten verkauft. Ob das sinnvoll ist oder nicht, sehen Mediziner höchst unterschie­dlich.
Cannabisbl­üten werden in einigen Ländern an Patienten verkauft. Ob das sinnvoll ist oder nicht, sehen Mediziner höchst unterschie­dlich.

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