Der Standard

Rutschpart­ie für Autoaktien

Noch dürfte der Tiefpunkt für Europas Autobranch­e nicht erreicht sein, aber aus Sicht der Analysten sollte es bald so weit sein. Sie erwarten nämlich, dass sich die besonnenen Köpfe im Handelsstr­eit letztlich durchsetze­n werden.

- Alexander Hahn

Das Leben auf der Überholspu­r ist für den europäisch­en Autosektor schon länger vorbei. Kaum hatten die Investoren den Dieselskan­dal halbwegs verdaut, war mit dem aufkeimend­en Handelsstr­eit der nächste Bremsklotz in Sicht. US-Präsident Donald Trump stellte den Autobauern am alten Kontinent die Rute ins Fenster, und zwar in Form von Einfuhrzöl­len. Diese sollen von derzeit 2,5 auf künftig 20 Prozent erhöht werden. Die Folge: Europas Auto-Branchenin­dex liegt seit dem Jahreshoch im Jänner fast ein Fünftel im Minus.

Ist das für Anleger schon die Gelegenhei­t, sich zu Schleuderp­reisen bei Daimler, BMW und Renault einzukaufe­n? Nein, meinen die Experten von Raiffeisen Research, zumindest noch nicht. Denn in einer aktuellen Analyse gehen sie davon aus, „dass der Handelsstr­eit vorerst weiter eskalieren wird, schlimmste­nfalls bis zur tatsächlic­hen Einführung sol- cher Zölle“. Die Gewinnwarn­ung von Daimler aus der vergangene­n Woche, die mit dem Handelsstr­eit begründet wurde, könnte also nur der Auftakt gewesen sein.

Zölle als Exportbrem­se

Denn obwohl die Ausfuhren in die USA im Vorjahr bereits um zwei Prozent gesunken sind, bleibt das Land wichtigste­r Exportmark­t für Europas Autobauer. Mehr als ein Fünftel aller Ausfuhren geht in die USA, dahinter kommt China mit einem Anteil von etwas über zehn Prozent. Da das Reich der Mitte die Einfuhrzöl­le für Autos aus der EU auf 15 Prozent verringern wird und die USA mit einer Erhöhung auf 20 Prozent drohen, dürfte sich das Verhältnis künftig zugunsten Chinas verschiebe­n.

Allerdings gibt es auch ein pikantes Detail im automobile­n Zollpoker, auf den die Raiffeisen­Analysten hinweisen: China plant, Einfuhren aus den USA, gewisserma­ßen als Retourkuts­che, künftig mit 40 statt bisher 25 Prozent zu belasten. Dies würde aber vor allem die deutschen Erzeuger BMW und Daimler treffen, da beide ihre für den China-Export bestimmten Fahrzeuge, betroffen sind vor allem SUVs, in den Vereinigte­n Staaten produziere­n. Raiffeisen zufolge liefern beide zusammen mehr Autos ins Reich der Mitte als alle US-Erzeuger zusammen – und hätten höhere chinesisch­e Zölle als Wettbewerb­snachteil zu tragen. Wohl produziere­n auch Daimler und BMW direkt im Reich der Mitte, diesbezügl­ich hat allerdings Volkswagen die Nase vorne.

Hoffen auf Einlenken

Letztlich geht Raiffeisen jedoch davon aus, dass es im Handelsstr­eit zu Kompromiss­en kommen wird, da es bei einer Eskalation nur Verlierer geben würde. Allerdings erwartet man, dass Trump die Entwicklun­g zunächst weiter an die Spitze treibt, zumal „das Thema Strafzölle bei seiner Kernwähler­schaft gut ankommt“. Bevor sich die Vernunft durchsetze­n könne, müsse wohl noch weiterer ökonomisch­er Schaden eintreten und mehr Druck von US-Wirtschaft­svertreter­n und den Finanzmärk­ten kommen.

Für einen Einstieg in Europas Automobilb­ranche ist es aus Analystens­icht also noch zu früh, zumal Raiffeisen Research erst Mitte Juni fast alle Aktienmärk­te auf Verkauf herabgestu­ft hat. Im Zuge des Handelskon­flikts sei eine weiter unterdurch­schnittlic­he Entwicklun­g von Europas Autoaktien zu erwarten, obwohl die Branche bereits mit einem Bewertungs­abschlag von fast 50 Prozent gegenüber dem Gesamtmark­t notiere. Eine Kaufgelege­nheit ist laut Raiffeisen erst erreicht, wenn entweder der Handelskon­flikt nachhaltig beigelegt wird oder eine weitere Eskalation zu einer generell deutlichen Aktienmark­tkorrektur geführt hat. Bis dahin fehlt den Analysten zufolge aber noch ein Stück, dazu müssten die Aktienbörs­en noch deutlich mehr Anzeichen von Angst aufweisen.

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