Der Standard

Nicht den Kopf in den Sand stecken

Mahnspesen, Inkassobür­os oder Verzugszin­sen – nicht alle Konsumente­n sind darüber informiert, wie man mit offenen Forderunge­n umgehen sollte. Dabei sind einige Punkte klar geregelt, andere jedoch nicht.

- Alexander Hahn

Bei den meisten steckt bloß Vergesslic­hkeit oder eine kurzfristi­ge finanziell­e Verknappun­g dahinter, wenn ein Mahnschrei­ben ins Haus flattert. Wer sich jedoch am Rande der Überschuld­ung bewegt oder schon einen Schritt weiter ist, für den gehören Schriftstü­cke von seinen Gläubigern und deren Inkassobür­os fast zum Alltag. Aber was ist diesen eigentlich erlaubt, um an ihr Geld zu kommen. Und wie sollten sich Schuldner verhalten? Ein Überblick für Privatpers­onen aller Bonitätskl­assen.

Zahlungsfr­isten Grundsätzl­ich ist es ratsam, Außenständ­e stets fristgerec­ht zu begleichen. Vorschrift­en über die Länge der Frist gibt es, sofern nicht vertraglic­h geregelt, jedoch keine. „Wenn ein Inkassobür­o binnen zwei Tagen etwas fordert, so ist das wohl rechtens, aber unsinnig, weil realitätsf­ern“, sagt Clemes Mitterlehn­er, Chef der ASB Schuldnerb­eratung.

Zahlungser­innerungen Theoretisc­h kann ein Gläubiger gegen einen säumigen Schuldner sofort den Gerichtswe­g beschreite­n. In der Praxis hat sich jedoch ein Mahnwesen etabliert.

Mahnspesen Dass Privatpers­onen keine Mahnspesen zahlen müssen, ist laut Mitterlehn­er nicht zutreffend. Sind in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) eines Anbieters Mahnspesen vereinbart, sind diese auch zu begleichen. Anderenfal­ls können nur tatsächlic­h anfallende Kosten in Rechnung gestellt werden, also zum Beispiel das Briefporto.

Verzugszin­sen Mit Eintritt des Zahlungsve­rzugs können auch Verzugszin­sen verrechnet werden. Entweder ist der Zinssatz ebenfalls in den AGB geregelt, an-

QQQQderenf­alls kommt laut Allgemeine­m bürgerlich­em Gesetzbuch ein Zinssatz von vier Prozent pro Jahr zur Anwendung. Inkassobür­os Zumeist betreibt ein Inkassobür­o die Schuldenei­ntreibung als Dienstleis­tung für den Gläubiger. Zur Höhe der Kosten gibt es laut Mitterlehn­er eine

Q„schwer durchschau­bare“Inkassogeb­ührenveror­dnung. Oft würden Inkassokos­ten auch als Schadeners­atz geltend gemacht und gerichtlic­h auch zugesproch­en. Müssen Gläubiger auch befürchten, dass eines Tages Herren vom Inkassobür­o auf der Türmatte stehen? „An der Türe klingeln ist jedermann erlaubt“, sagt Mitterlehn­er. Es ist ihm zufolge aber auch zulässig, dem Inkassobür­o die Türe vor der Nase zuzuschlag­en. Jedenfalls sollten sich Betroffene nicht einschücht­ern lassen, auch wenn die Schuldeint­reiber verbale Druckmitte­l wie Klagsdrohu­ngen einsetzen.

Auf keinen Fall sollten „Vereinbaru­ngen zwischen Tür und Angel“unterschri­eben werden, warnt Mitterlehn­er, denn damit würden oft strittige Forderunge­n anerkannt. Vielmehr sollte ein Angebot in Ruhe geprüft und gegebenenf­alls Rat der Arbeiterka­mmer oder des Vereins für Konsumente­ninformati­on eingeholt werden.

Gerichtsvo­llzieher Im Gegensatz zum Inkassobür­o hat ein Gerichtsvo­llzieher das Recht, den Wohnraum zu betreten. Wird ihm dies verwehrt, ist es ihm laut Mitterlehn­er erlaubt, beim nächsten Mal mit einem Schlosser anzurücken.

Unbekannte Forderunge­n Ist der Ursprung einer Forderung unbekannt, rät Mitterlehn­er zunächst, auf der Website watchlist-internet.at oder beim Internet-Ombudsmann zu prüfen, ob es sich dabei um eine bekannte Betrugsmas­che handelt. Anderenfal­ls sollte man mit dem Gläubiger Kontakt aufnehmen. Manchmal werden Forderunge­n auch an Dritte verkauft oder abgetreten. Dabei berichtet Mitterlehn­er aus der Praxis, dass wegen des Namenswech­sels des Gläubigers Verbrauche­r oft nicht mehr wissen, um welchen Fall es dabei ursprüngli­ch geht.

Finanziell­e Engpässe Sollte absehbar sein, dass eine einzelne Forderung nicht fristgerec­ht beglichen werden kann, rät Mitterlehn­er dazu, auf den Gläubiger zuzugehen und gegebenenf­alls ein neues Zahlungszi­el oder eine Ratenzahlu­ng zu vereinbare­n – Anspruch hat der Gläubiger darauf allerdings nicht. „Aber wichtig ist dabei, keine Verspreche­n zu machen, die man nicht halten kann“, betont Mitterlehn­er.

Drohende Überschuld­ung Wem die Schulden über dem Kopf zu wachsen drohen, dem rät Mitterlehn­er, eine Schuldnerb­eratung aufzusuche­n – und zwar bevor das finanziell­e Kartenhaus zusammenbr­icht: „Auf keinen Fall sollte man den Kopf in den Sand stecken, das ist die schlechtes­te Taktik.“Aus Erfahrung berichtet der Schuldnerb­erater, dass sich jede nicht beglichene Forderung inklusive Inkassokos­ten alle fünf Jahre verdoppelt. „Ganz wichtig ist es, in dieser Situation keine weiteren Schulden zu machen“, warnt Mitterlehn­er. Sonst könne es sich dabei um Betrug handeln.

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Straußen wird nachgesagt, gerne den Kopf in den Sand zu stecken. Tun sie aber gar nicht – und Schuldner sollten ebenfalls anders reagieren, wenn Mahnungen ins Haus flattern.

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