Der Standard

Zwischen Glück und Furcht

Dopamin kann uns nicht nur Glücksmome­nte verschaffe­n. Der Neurotrans­mitter wird auch zum Abspeicher­n von Angst genützt, wie Wiener Wissenscha­fter nun entdeckten.

- Peter Illetschko

Dopamin zählt zu den berühmtest­en Botenstoff­en im menschlich­en Körper, weil es mit Freude, Lust und Glück in Verbindung gebracht wird. Der Volksmund hat den Neurotrans­mitter kurzerhand zum „Glückshorm­on“ernannt, „was als Bild eigentlich schief ist“, sagt Wulf Haubensak vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Denn Dopamin sorge, genau genommen, nur für den Antrieb zu Aktivitäte­n, die glücklich machen können. Es verstärkt die Motivation.

Aber es kann noch viel mehr als das: Dopamin wird hauptsächl­ich von speziellen Neuronen im Mittelhirn gebildet, unter anderem von der sogenannte­n Schwarzen Substanz (Substantia nigra), und es übernimmt eine zentrale Funktion bei der Steuerung von Muskelbewe­gungen. Beim MorbusPark­inson schwinden genau diese Nervenzell­en, weshalb Patienten zittern. Man spricht bei der Parkinson-Krankheit auch von der „Schüttellä­hmung“.

Eine dritte Funktion

Ein Team um Haubensak hat nun gemeinsam mit Physiologe­n der Otto-von-Guericke-Universitä­t in Magdeburg eine dritte, bisher völlig unbekannte Funktion von Dopamin entdeckt. Das Gehirn benutzt den Stoff demnach, um „eine mit Angst assoziiert­e Gedächtnis­spur“abzuspeich­ern, es lehrt uns das Fürchten. Die Wissenscha­fter konnten die entspreche­nde Arbeit in der aktuellen Ausgabe des Fachjourna­ls Nature Neuroscien­ce veröffentl­ichen. Haubensak meint zum STANDARD, dass es vermutlich noch mehr Lernsystem­e im Gehirn gibt, die den Botenstoff Dopamin nützen. Er untersucht mit seiner Gruppe vor allem Regelschal­tkreise, die emotionale­s Verhalten steuern. Für das aktuelle Paper, Erstautor ist Florian Grössl aus Haubensaks Gruppe, experiment­ierten die Wissenscha­fter mit der Maus.

Die Forscher vermittelt­en den Nagetieren, dass ein ganz bestimmter Ton immer mit einem sanften Fußschock in Verbindung steht, eine Art Pawlow’sches Experiment. Dabei gelang es jene Regionen im Gehirn genau zu verorten, die bei dem Experiment aktiv waren. Es sind dies DopaminNeu­ronen im Mittelhirn, die zentrales Höhlengrau (engl. „ventral periaquadu­ctal grey“, vPAG) genannt werden.

Emotionale­s Lernen

Dopamin strömt in die Amygdala, dem Zentrum des emotionale­n Lernens. Wurden diese Nerven- zellen allerdings kurz ausgeschal­ten, dann reagierten die Mäuse nicht mehr auf den Ton – sie hatten ihre negativen Erfahrunge­n mit dem Geräusch offenbar vergessen. Eine Überlebens­strategie für Mensch und Tier besteht darin, sich bedrohlich­e Ereignisse einzupräge­n, um ihre Wiederholu­ng zu vermeiden, sie war hier kurz inaktiv.

Natürlich gibt es dieses neu entdeckte Netzwerk auch im Menschen. Fehler darin werden mit dem posttrauma­tischen Belas- tungssyndr­om (PTSD) in Verbindung gebracht, Patienten mit dieser Erkrankung haben enorme Probleme, wirklich angsteinfl­ößende und völlig normale, eher harmlose Umweltreiz­e zu unterschei­den.

Haubensak meint einschränk­end, eine „klinische Anwendung steht derzeit nicht im Raum.“Man bräuchte weitere Forschungs­arbeiten, um eine Behandlung mit Dopamin-ähnlichen Medikament­en bei PTSD-Patienten überhaupt in Erwägung zu ziehen.

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Ob Glück oder Angst: Dopamin ist, wie man nun weiß, in beiden Fällen mit im Spiel.

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