Der Standard

Isolde Charim: „Wir leisten Begriffsar­beit“

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Mir kommt vor, dass Geoffroy de Lagasnerie an dem Punkt angelangt ist, an dem wir uns in Österreich nach Angelobung der Regierung Schüssel 2000 befanden. Wir besitzen gegenüber seiner Analyse 18 Jahre Vorsprung. Und damals haben wir genauso argumentie­rt wie er: Jede Aussage, die getroffen wird, ist von vornherein parteiisch.

Die Frage lautet aber auch: Was kann Engagement darüber hinaus bedeuten? Die Öffentlich­keit, innerhalb derer man agieren soll, wird von uns immer mitproduzi­ert. Öffentlich­keit ist nicht einfach „da“, sie wird hergestell­t, auch durch Populisten. Engagiert sind Intellektu­elle nicht etwa dann, wenn sie beginnen, sich wie Volkstribu­nen zu äußern. Was nottut, ist das Leisten von Begriffsar­beit. Die Zeiten sind so konfus, dass die alten Argumentat­ionslinien komplett durcheinan­dergeraten sind. Es gilt, Verständni­s aufzubring­en, um Verständni­s zu schaffen. Das ist wichtiger als jeder blinde Aktionismu­s. Es erschien mir in der Praxis immer so, dass es Transmissi­onsriemen braucht. Mitunter ist es notwendig, Wissen nicht nur herzustell­en, sondern es auch für ein breiteres Publikum zu „übersetzen“. Wir brauchen intellektu­elle Figuren, gerade wenn das Umfeld schwächelt. Wahrheit besteht nie nur aus Inhalt, sondern aus der Glaubwürdi­gkeit und der Autorität der Stimmen, die sie verbreiten.

ist Wiener Philosophi­n und Publizisti­n.

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