Robert Misik: „Schafft drei, vier, viele Bölls“
Engagement des Intellektuellen kann ja nur Engagement auf der öffentlichen Bühne sein. Engagement, das nicht öffentlich auffällt, wäre keines, das den Intellektuellen braucht. Es müsste also auf der Bühne der Öffentlichkeit bestehen. Und dieses Engagement ist in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich verächtlich gemacht worden.
Das ist verbunden mit dem Aufstieg des Konzepts von „Cooleness“. Das Wort zu erheben, um ein „J’accuse“herauszuschleudern, wurde als uncool gebrandmarkt. Cool dagegen war der Sound der Dauerironie. Der Ironiker steht nie für etwas ein, aber immer auf der sicheren Seite. Man erinnere sich nur an Figuren wie Heinrich Böll. Engagierte Intellektuelle, unkorrumpierbar, moralische Instanzen. Würde heute jemand dem nacheifern, würde er oder sie sofort dem Gelächter preisgegeben. Diese Form des Engagements des Intellektuellen versucht tendenziell, zu Mehrheiten zu sprechen. Sie ist keine Nischen-Intellektualität und auch keine, die nur in Nischen oder Sub-Milieus „engagiert“agiert.
Letzteres ist ja nie ausgestorben gewesen. Der Grund: Der oder die Intellektuelle, die in Submilieus, etwa im radikalen Kunstfeld, agiert, wird in diesem Sozialprestige gewinnen. Würde sie auf der „universalen Bühne“spielen, stünde sie sofort unter Mainstream-Verdacht und würde ihr Sozialprestige verlieren. Die Lage ist heute aber zu ernst für Spielchen. Intellektuelle müssen ihr kulturelles Kapital in die Waagschale werfen. Schafft drei, vier, viele Bölls.
(52) ist u. a. politischer Essayist.