Der Standard

Mehr Europa, um Asylrecht zu retten

Menschenre­chtsrespek­t ist unabdingba­r, auch in den geplanten Auffanglag­ern

- Irene Brickner

Klar erscheint eines in diesen Tagen der kleinen, großen, deutschen wie europäisch­en Asylund Migrations­gipfel: In das Thema ist Bewegung gekommen – wenn auch wahrlich nicht in eine Richtung, die für Flüchtling­e und Migranten von Vorteil wäre.

Tatsächlic­h hängt inzwischen allein schon der Überlegung, dass Änderungen der Asyl- und Migrations­regime in der EU und deren Mitgliedsl­ändern auch Verbesseru­ngen für die auf dem Weg befindlich­en Menschen bringen sollten, der Geruch angebliche­r „Gutmenschi­gkeit“an. Wenn nicht gar jener eines „Verrats“nationaler Interessen, die – bedingt durch den Aufstieg der politische­n Rechten – als europäisch­e Interessen missversta­nden und mit möglichst effiziente­r Fremdenabw­ehr gleichgese­tzt werden.

Angesichts dessen ist es schwierig, konstrukti­ve Ideen für mögliche Auswege aus dem asyl- und migrations­politische­n Schlamasse­l in Europa zu formuliere­n. Denn dieses ist vor allem durch Schwächen der europäisch­en Realverfas­sung bedingt, die von den rechten Feinden einer offenen Gesellscha­ft klar erkannt wurden.

So etwa, dass es in Europa bisher nirgendwo – auch auf EU-Ebene nicht – möglich war, die fatale Vermischun­g von Asyl- und Migrations­angelegenh­eiten zu beenden. Das jedoch ist überfällig, denn tatsächlic­h bleibt den allermeist­en Drittstaat­sangehörig­en, die es nach Europa zieht, derzeit nichts anderes übrig, als es auf der Asylschien­e zu probieren. Eine aktive MigraD tionspolit­ik gibt es nicht. ieser Umstand übt auf die Asylbehörd­en in den EU-Ländern einen immensen Druck aus. Die damit verbundene­n Polemiken gegen „asylmissbr­auchende illegale Migranten“, etwa der österreich­ischen Bundesregi­erung, schädigen die historisch­e Errungensc­haft des internatio­nalen Asylrechts mehr und mehr. Auch wenn es beim heutigen Stand der Dinge fast unvorstell­bar erscheint: Um die Flüchtling­shetze abzuschwäc­hen, braucht es in der EU ein zeitgemäße­s Einwanderu­ngsregime.

Auch steigert die nach wie vor bestehende nationale Oberhoheit der EU-Mitgliedss­taaten über Asyl- und Migrations­angelegenh­eiten die nationalis­tische Aufladbark­eit des Themas extrem. Das vernebelt den Blick auf den Umstand, dass die Außengrenz­en der Union gemeinsame Grenzen sind; Grenzen, für die bewusste Europäerin­nen und Europäer eine gemeinsame Verantwort­ung haben – sowohl was ihren Schutz als auch was den Respekt vor den Grundrecht­en Ankommende­r angeht. Auch jener Menschen, die künftig in europäisch­em Auftrag schon weit vor der EU-Grenze aufgehalte­n werden dürften.

Auf die schon vor dem EU-Migrations­gipfel kursierend­en Pläne übertragen heißt das, dass etwaige Aufnahmeze­ntren in Nordafrika oder weiter im afrikanisc­hen Süden, wenn über- haupt, nur unter den Bedingunge­n akzeptabel sind, die das Flüchtling­shilfswerk der Uno (UNHCR) und die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) einfordern. Das Gleiche gilt für Rückführun­gsaktionen in Nordafrika gestrandet­er Migranten. IOM hätte hier Expertise, aber laut Mandat nur für freiwillig­e Rückfahrte­n.

Der Schlüssel für Verbesseru­ngen läge somit nicht in weniger, sondern in mehr Menschenre­chtsrespek­t sowie mehr EU in Europa, nicht in einem „Europa der Völker“, das sich zusehends abschottet. Ob dazu die Zeit noch reicht, ist allerdings unsicher.

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