Der Standard

„Die Angst der Leute ist riesig“

Ist das neue Gesicht an der Front gegen den Zwölfstund­entag. In der Regierung sieht die Gewerkscha­fterin den Erfüllungs­gehilfen der Industrie. Streiks schließt sie für die Zukunft nicht aus.

- Aloysius Widmann

INTERVIEW: STANDARD: Sie werden am Samstag auf der Großdemo gegen den Zwölfstund­entag reden. Was ist Ihre Botschaft? Teiber: In erster Linie wollen wir die Menschen darüber informiere­n, was dieses Gesetz für sie heißen würde. Auch sehr viele Menschen, die nicht in Betrieben mit Betriebsra­t beschäftig­t sind, sind gegen den Zwölfstund­entag. Es geht darum, dass möglichst viele Leute dabei sind und ein sichtbares Zeichen setzen.

STANDARD: Ein Zeichen wofür? Teiber: Das Wichtigste wäre, dass die Regierung darüber nachdenkt, wie massiv sie da in die Lebensqual­ität der Menschen eingreift. Wir wollen zurück an den Start und das Gesetz auch als Arbeitnehm­erinteress­envertretu­ngen einmal mitverhand­eln .

STANDARD: Wissen die Menschen, was genau der Gesetzesen­twurf bedeutet? Teiber: Wir haben momentan allein vonseiten der GPA-djp ungefähr 700 Betriebsve­rsammlunge­n, wo wir gemeinsam mit Betriebsrä- ten informiere­n, was auf die Arbeitnehm­er zukommt. Zum Beispiel, dass Freiwillig­keit nicht im Gesetz steht. Aber auch wenn Freiwillig­keit ins Gesetz aufgenomme­n würde, wissen die Menschen in der Privatwirt­schaft, dass das nicht viel bringt.

STANDARD: Die Regierung spricht nicht mehr von Freiwillig­keit, sondern von einer „Freiwillig­keitsgaran­tie“. Das soll „bewusste Fehlinterp­retationen“verhindern. Interpreti­eren Sie das Vorhaben jetzt anders? Teiber: Wir wissen noch nichts Konkretes, es ist noch nichts Schriftlic­hes präsentier­t worden. Aber wenn jetzt Korrekture­n angedacht werden, gibt die Regierung zu, dass wir recht haben. Das Gesetz gehört in den Reißwolf. Jetzt von einer Garantie zu sprechen, ist ein Scherz. In Österreich gibt es keinen Kündigungs­schutz. In der Privatwirt­schaft heißt das: Wenn ein Arbeitnehm­er mehrmals sagt, er kann nicht zwölf Stunden arbeiten, ist er seinen Job bald los.

STANDARD: Und wenn das Gesetz nicht in den Reißwolf kommt? Teiber: Bis jetzt hat die Sozialpart­nerschaft funktionie­rt, Dinge sind im Dialog ausverhand­elt worden. Derzeit ist die Regierung der Erfüllungs­gehilfe von Industriel­lenvereini­gung und Wirtschaft­skammer. Wir sind gezwungen, über eine neue Art gewerkscha­ftlicher Interessen­vertretung nachzudenk­en, wenn man mit uns gerade bei so einem wichtigen Gesetz keinen Dialog führt und die Arbeitnehm­erseite nicht berücksich­tigt.

STANDARD: Meinen Sie Streiks? Teiber: Wir sind für alles offen, auch für Streiks. Bei Betriebsve­rsammlunge­n wird übrigens auch nicht gearbeitet. Die Konfliktsi­tuationen werden zunehmen, wenn die klassische Sozialpart­nerschaft ausgehebel­t wird und mit uns nicht mehr gesprochen wird. Wir hoffen aber auf die Einsicht der Regierung. Das Gesetz geht ja auch sehr vielen Arbeitgebe­rn zu weit.

STANDARD: Wobei die Arbeitgebe­rseite beklagt, dass die Gewerkscha­ften keine sachliche Debatte führen würden. Teiber: Wir wurden mit diesem Vorschlag überfallen. Es hat weder davor noch danach Gespräche gegeben. Die Angst der Leute ist riesig, das zeigt auch der große Mitglieder­zuwachs, den wir gerade haben. Wir können unseren Mitglieder­n die Angst nach Durchsicht des Gesetzesen­twurfs nicht nehmen.

STANDARD: Wie sollte ein Gesetz aussehen, dem Sie zustimmen könnten? Teiber: Zuerst braucht es eine quantitati­ve Einschränk­ung. Die Anzahl der zulässigen Zwölfstund­entage müsste begrenzt werden. Und die elfte und zwölfte Stunde könnte neben Geld auch mit Zeitzuschl­ägen von mehr als einer Stunde vergütet werden. Dann würde man zweierlei erreichen: Flexibilis­ierung und gleichzeit­ig eine stückweise Verkürzung der Arbeitszei­t. Der vorliegend­e Gesetzesen­twurf würde die Zahl der zulässigen Überstunde­n um 30 Prozent erhöhen. Das ist in der Debatte bisher untergegan­gen. In Summe bedeutet der Entwurf viel mehr Arbeit für die Menschen.

BARBARA TEIBER (40) ist die Vorsitzend­e der Privatange­stelltenge­werkschaft (GPA-djp), der größten Teilgewerk­schaft des Gewerkscha­ftsbunds (ÖGB).

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