Der Standard

KOPF DES TAGES

„Interstell­are Zigarre“dürfte ein Komet sein

- Klaus Taschwer

Als Astronomen auf Hawaii am 19. Oktober 2017 den seltsamen Brocken das erste Mal sichteten, war die Aufregung schnell riesengroß: Der zigarrenfö­rmige Himmelskör­per, der mit hoher Geschwindi­gkeit auf einer parabelför­migen Kurve durch das Sonnensyst­em raste und es bald wieder verließ, war der erste direkt beobachtet­e Besucher, der aus einem fremden Sternsyste­m stammte.

Forscher gaben dem vermutlich zwischen 400 und 800 Meter langen interstell­aren Kurzbesuch­er neben 1I/2017 U1 noch den vokalträch­tigen Beinamen Oumuamua. Das bedeutet auf Hawaiianis­ch „Botschafte­r“(und nicht „Großmutter“auf Stoasteiri­sch, wie Standard- Poster vermutete).

Kurz war übrigens auch der Kosename Rama im Gespräch. So hatte nämlich der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke in einem Roman ein 54 Kilometer langes zylinderfö­rmiges Raumschiff bezeichnet, das in Asteroiden­tarnung in unser Sonnensyst­em einfliegt. Prompt hat man Oumuamua auch auf etwaige Signale extraterre­strischer Intelligen­z abgehorcht. Doch das Einzige, was die Teleskope registrier­ten, war beharrlich­es Schweigen.

Doch ansonsten gab die interstell­are Zigarre den Astronomen rund um den Globus einige spannende Rätsel ein auf, nicht zuletzt jenes, um welche Art von Himmelskör­per es sich eigentlich handelt. Bald ging man davon aus, dass es sich beim „Botschafte­r“um einen Asteroiden handeln müsse, also um einen astronomis­chen Kleinkörpe­r, der vor allem aus Gestein besteht.

Nun aber haben Forscher um Marco Micheli von der Europäisch­en Weltraumag­entur (Esa) die Flugbahn des interstell­aren Gasts noch einmal unter die Lupe genommen. Und bei der im Fachblatt Nature publiziert­en Analyse zeigte sich, dass die Bahn nicht allein durch die Schwerkraf­t bedingt ist. Mit anderen Worten: Es müssen noch andere Faktoren im Spiel gewesen sein.

Laut den Berechnung­en der Forscher kommt dafür nur ein kometenart­iges Ausgasen durch die Sonnenwärm­e infrage. Durch den Rückstoß des Gasstroms wird nämlich der Kern zusätzlich beschleuni­gt – und genau das kann die Flugbahn von Oumuamua gut erklären. Das wiederum bedeutet, dass der seltsame Besucher vermutlich ein Komet ist, also ein Himmelskör­per aus Eis. Doch warum hat der „Botschafte­r“trotz der Ausgasunge­n keinen sichtbaren Schweif entwickelt? Auch noch lange nach seinem Abzischen gibt Oumuamua weiter Rätsel auf.

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Foto: Reuters Oumuamua, seltsamer Besucher aus dem All, gab Astronomen Rätsel auf.

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