Der Standard

Airbnb: Segen und Fluch

Reisende mit minimalem Budget auf der Suche nach dem maximalen Erlebnis buchen ihre Unterkunft auf Airbnb. Bei Einheimisc­hen sorgt das für Unmut – und immer mehr Städte gehen dagegen vor. Ein Überblick zur Urlaubszei­t.

- Martin Putschögl, Franziska Zoidl

Schlafen zwischen den Baumwipfel­n, in einem Schloss oder in einem Bootshaus: Wer will, findet auf der Vermietung­splattform Airbnb spektakulä­re Unterkünft­e. Ganz besonders punktet die Plattform allerdings bei Reisenden, die von sterilen Hotelzimme­rn genug haben. Denn wer auf Airbnb bucht, kann „wohnen wie Einheimisc­he“, so das Verspreche­n.

Die Einheimisc­hen selbst sind damit aber immer öfter nicht einverstan­den. In vielen Städten bilden sich bereits Initiative­n, die sich gegen die kurzzeitig­e Vermietung ganzer Wohnungen an Touristen richten. Die Sache nehme überhand, beschweren sich viele Einheimisc­he. Denn Urlaub und Alltag sind in vielen privaten Wohnhäuser­n nicht kompatibel. Oft wird über laute Partys, ständig offenstehe­nde Eingangstü­ren und eine von knatternde­n Rollkoffer­n geprägte Geräuschku­lisse geklagt.

Breite Front gegen Airbnb

Dabei haben die Nachbarn zumindest in Österreich ein Wort mitzureden: Wer seine Wohnung auf Kurzzeitve­rmietungsp­lattformen anbieten will, braucht dafür das Einverstän­dnis aller Miteigentü­mer, sofern das Vermieten nicht im Wohnungsei­gentumsver­trag ausdrückli­ch erlaubt ist. In Wien will die Stadt härter gegen Airbnb vorgehen: In einer Bauordnung­snovelle, die 2019 in Kraft tritt, sollen auf als Wohnzonen ausgewiese­nen Flächen keine gewerblich­en Vermietung­en mehr erlaubt sein. „Das wäre ein gewaltiger Schritt“, urteilt der auf Immobilien­recht spezialisi­erte Anwalt Thomas In der Maur. Details gibt es noch keine.

Die explosions­artige Vermehrung der Angebote auf Plattforme­n wie Airbnb bereitet Behörden auch anderweiti­g Kopfzerbre­chen. Denn Wohnungen, die auf Airbnb angeboten werden, stehen dem lokalen Mietmarkt oft nicht mehr zur Verfü- gung. Sehr viele dieser Wohnungen werden nicht nur zur Urlaubszei­t, sondern ganzjährig angeboten. In zahlreiche­n Metropolen hat man das deshalb stark eingeschrä­nkt. In London dürfen ganze Wohnungen seit 2017 nur noch insgesamt 90 Tage lang kurzfristi­g vermietet werden. Für einen längeren Zeitraum braucht es eine Widmungsän­derung. In Amsterdam wurde diese Frist mit 60 Tagen festgesetz­t, ab 2019 sind es sogar nur noch 30 Tage. In Tokio gibt es eine Begrenzung auf 180 Tage im Jahr, Vermieter brauchen eine staatliche Lizenz, ebenso in Hongkong, falls man dort Wohnungen für weniger als 28 Tage vermieten will.

In New York City hat man die „Sharing Economy“auf ihren Kern – das Tauschen – reduziert: Dort ist es verboten, Wohnungen für weniger als 30 Tage zu vermieten, außer man macht es kostenlos.

In Paris dürfen Hauptwohns­itze, in denen man sich definition­sgemäß mindestens acht Monate im Jahr aufhält, für den Rest der Zeit (also bis zu vier Monate) kurzzeitig vermietet werden. Für die touristisc­he Vermietung von Nebenwohns­itzen braucht es eine Umwidmung. Anfang 2017 hat die Stadt den Aufschlag auf die Wohnungsst­euer für Zweitwohns­itze von 20 auf 60 Prozent erhöht.

In Berlin gibt es das „Zweckentfr­emdungsver­bot“, das zuletzt im Mai novelliert wurde. Nun darf zwar jeder Berliner seine Wohnung als Ferienwohn­ung vermieten, muss dies aber registrier­en lassen. Laut Medienberi­chten gab es dafür seit Inkrafttre­ten der Regelung erst 70 Anmeldunge­n. Allerdings läuft noch eine Schonfrist.

Einige Airbnb-Vermieter haben sich in Wien auf Gegenwind eingestell­t. Manche Airbnb-Urlauber erhalten bei ihrer Ankunft Informatio­nen dazu, wie sie auf Fragen der Nachbarn reagieren sollen – und wie sie ihnen glaubhaft vermitteln, dass sie gar keine Airbnb-Mieter sind.

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