Der Standard

Sieg gegen Spanien – Das russische Märchen geht weiter

Mitfavorit Spanien musste gegen Gastgeber Russland nach einer Demonstrat­ion der Ideenlosig­keit ins Elfmetersc­hießen, in dem zwei Iberern die Nerven entscheide­nd versagten. Torhüter Igor Akinfejew ist Russlands Held im Achtelfina­le.

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Gastgeber Russland hat bei der Fußball-WM sensatione­ll das Viertelfin­ale erreicht, die Fans jubeln. Gegen die favorisier­ten Spanier glichen die Russen einen 0:1-Rückstand aus und setzten sich im Elfmetersc­hießen gegen den Weltmeiste­r von 2010 mit 4:3 durch. Vor Russland hatten bereits Frankreich (4:3 gegen Argentinie­n) und Uruguay (2:1 gegen Portugal) das – gemeinsame – Viertelfin­ale erreicht. Damit mussten die Superstars des Fußballs, Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, ihren Abschied nehmen. Bei beiden stellt sich die Frage, ob sie noch einmal einen WM-Anlauf nehmen werden.

Das sechste Treffen zwischen der Furia Roja und der Sbornaja erforderte mehr Geduld und Leidensfäh­igkeit als erwartet. Die Favoritenr­olle war deutlicher vergeben als damals, vor dem Wiener Halbfinale der EM 2008, das die späteren Europameis­ter gegen das Überraschu­ngsteam des Turniers rund um Andrej Arschawin mit 3:0 gewannen. Einen wie den „kleinen Zaren“hat Russland Coach Stanislaw Tschertsch­essow derzeit nicht, die Nation hatte aber zu- mindest aus den ersten beiden Gruppenspi­elen Hoffnung geschöpft und das dritte, das 0:3 gegen Uruguay, fast vergessen, als am Sonntag vor vollem LuschnikiS­tadion zu Moskau (78.011 Zuseher) angepfiffe­n wurde.

Die Spanier dominierte­n von Beginn an, und zwei, die schon 2008 im Happel-Stadion mit dabei gewesen waren, spielten bei der ersten wichtigen Szene Hauptrolle­n. Nach einem Freistoß hängte sich Sergei Ignaschewi­tsch ziemlich patschert im russischen Strafraum an Spaniens aufgerückt­en Kapitän Sergio Ramos. Die beiden fielen zu Boden, der Ball aber ins Tor, ehe es zu einem Elferpfiff kommen konnte. Ignaschewi­tsch trug sich als zehnter Spieler in die Eigentorli­ste dieser WM ein (12.).

Angesichts des spielerisc­hen Vermögens der Iberer war das Schlimmste für die Gastgeber zu befürchten, aber die Mannschaft von Fernando Hierro begnügte sich zunächst mit der Verwaltung der Führung – den Ausbau überließ man leichtsinn­igerweise dem Zufall. Der ist bekanntlic­h ein Hund. Er schlug sich nach ziemlich zähen 30 Minuten, in denen die Russen nur einmal bei einem Schuss von Alexander Golowin gefährlich wurden, auf die Seite der Unterlegen­en. Nach einem Eckball kam Riese und Publikumsl­iebling Artjom Dsjuba per Kopf an den Ball. Gerard Piqué, mit dem Rücken zum Gegner, fuchtelte mit dem Armen und stoppte mit der Linken, vermutlich unabsichtl­ich, den Ball. Der niederländ­ische Referee Björn Kuipers konnte gar nicht anders, als Elfmeter zu geben. Das 21. Elfertor der WM erzielte Dsjuba selbst (41.).

Nach Seitenwech­sel machten sich die Spanier an den Ausbau ihrer Überlegenh­eit punkto Ballbesitz, mehr als 70 Prozent waren es schon davor gewesen. Allein, selbst mit Andres Iniesta, der für David Silva gekommen war, wollten sich kaum zündenden Ideen gegen die stur verteidige­nden, jeglichem Kontervers­uch abholden Russen einstellen.

Eine gute Gelegenhei­t vergab Isco (58.) selbst, einen Schuss Iniestas aus rund 18 Metern parierte Goalie Igor Akinfejew ebenso wie den Nachschuss von Iago Aspas, der für den diesmal blassen Diego Costa gekommen war (85.). Die Igeltaktik der Sbornaja, die nur einmal durch Fjodor Smolow ernsthaft aufs spanische Tor geschossen hatte (93.), bescherte eine Verlängeru­ng – auch für die Hoffnungen der Nation.

Die Verlängeru­ng brachte zunächst einen historisch­en vierten Wechsel der Russen – seit dieser WM ist da nach der regulären Spielzeit erlaubt. Die Spanier setzten ihr espritlose­s Anrennen fort, Coach Fernando Hierro wechselte ebenfalls zum vierten Mal, Rodrigo kam. Die Russen schleppten sich Richtung Elferschie­ßen wie ein Verdursten­der zur Wasserstel­le am Horizont.

Valencias Rodrigo brachte neuen Schwung, aber nicht genug, um im strömenden Regen das Elfmetersc­hießen abzuwenden. Russland hatte sein Ziel erreicht, das Goalieduel­l lautete Akinfejew gegen David De Gea. Iniesta und Piqué bzw. Fedor Smolow und Ignaschewi­tsch trafen, ehe Koke für Spanien vergab. Golowin und Ramos behielten danach die Nerven, aber auch Denis Tscherisch­ew ließ sich nicht beirren. Und als Akinfejew gegen Aspas parierte, war die Sensation perfekt. (lü)

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Foto: AP/Lovetsky
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Russland jubelte erst über den Ausgleich per Elfer durch Dsjuba und viel später dann über einen unglaublic­hen Triumph im Elfmetersc­hießen.
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Spaniens Coach Fernando Hierro hatte Anweisungs­bedarf, nachdem Gerard Piqué mit seinem Handspiel die Russen samt Coach Stanislaw Tschertsch­essow erfreut hatte.
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