Kopf des Tages
Der Schotte Kevin Sneader hat es trotz starken Akzents an die Spitze des US-Beratungsunternehmens McKinsey geschafft.
Wer schon mit Telefonistinnen oder Barkeepern aus Glasgow zu tun hatte, wird wissen, dass die Verständigung mit den Bewohnern der schottischen Metropole manchmal Probleme bereitet. Das bekam ein junger Jus-Absolvent der Uni Glasgow zu spüren, als er einen Job in London antrat. „Ich sprach mit starkem Dialekt“, erinnert sich Kevin Sneader fröhlich an seinen Start bei Unternehmensberater McKinsey, „man nannte mich den schottischen Analysten, weil ich damals der erste und einzige war.“
Der Akzent hat sich im Lauf der vergangenen drei Jahrzehnte abgeschliffen. Sneaders Begeisterung, die seine Kollegen schon damals überzeugt hatte, blieb. Seit Sonntag leitet der 51-Jährige die Geschicke der Firma mit 27.000 Angestellten in 65 Ländern. Er sei „Traditionalist, was unsere Werte angeht“, sagt der Fan des Fußballklubs Celtic Glasgow, gleichzeitig aber „Innovator auf zukünftigen Geschäftsfeldern“.
Sneaders Wahl durch die 560 Seniorpartner hatte im Februar vorübergehend Kritiker auf den Plan gerufen: Wäre nach elf Männern im Führungsjob nicht eine Chefin ein schönes Modernisierungssignal, maulten nicht wenige, als die Wahl auf den in Hongkong lebenden Schotten fiel.
Leute mit unterschiedlichen Denkweisen habe sein Unternehmen genug, glaubt das 1,65 Meter große „Energiebündel“(Vorgänger Dominic Barton). Dagegen müsse McKinsey „bei Geschlecht, Ethnie und sexueller Orientierung“besser als bisher die Märkte widerspiegeln, in denen gearbeit wird. Keineswegs zufällig hat Sneader die Reorganisation seines Führungsteams genutzt, besonders Frauen zu fördern. Statt wie bisher vier Prozent beträgt deren Anteil nun ein Drittel.
McKinsey lebt noch mit dem Schatten von Korruptionsvorwürfen in Südafrika, davon abgesehen läuft’s prächtig. Durch Zukäufe verdoppelte sich der Umsatz binnen zehn Jahren auf zehn Milliarden Dollar. Bei allen Indikatoren für Beliebtheit, Ansehen und Regionen führt der USBerater, um jeden Job bewerben sich Hunderte der weltbesten Absolventen.
Kein leichtes Erbe also für Sneader, verbessern lässt sich der Status quo kaum. Der mittlerweile weltgewandte verheiratete Vater von zwei Töchtern nimmt’s gelassen. Wie bisher will er seinen Arbeitstag um 5.30 Uhr im Fitnessstudio beginnen. Dabei bekommt das iPad den einen oder anderen Schweißtropfen ab: Während des Workouts bearbeitet der Boss nämlich seine E-Mails.