„Kriterien sind unverändert“
Sabine Haag ist Präsidentin der österreichischen Unesco-Kommission. Im Streit um das geplante Hochhaus am Heumarkt sieht sie die Politik am Zug.
Standard: Was ist in der HeumarktDebatte falsch gelaufen? Sabine Haag: Es fehlte das Bewusstsein, was es für Konsequenzen hat, wenn gewisse Schritte gesetzt werden. Also dass ich ein Projekt entwickle, von der Stadt genehmigen lasse, von dem die Stadt zugleich wissen müsste, dass damit gegen den Welterbestatus verstoßen wird. So was sollte nicht passieren.
Standard: Es wurde mit einem dreistufigen Maßnahmenkatalog ein Aufschub für die Entscheidung über den Welterbestatus erwirkt. Was verspricht man sich davon? Haag: Die Unesco will unter keinen Umständen Welterbestätten verlieren, sie unternimmt alles, um den Staaten mit den gefährdeten Stätten zu helfen. Einer Entscheidung ist damit nicht vorgegriffen worden, und es gibt dadurch auch noch keine entscheidende Weichenstellung.
Standard: Ist derzeit ein Kompromiss vorstellbar? Haag: Die Kriterien, die für die Anerkennung des Welterbestatus gelten, sind unverändert. Die Unesco hat nur beratende Funktion, sie selbst kann die Welterbestätten nicht beschützen, Lösungsvorschläge müssen von den Akteuren – in dem Fall von der Stadt Wien gemeinsam mit der Bundesregierung – vorgelegt wer- den. Wenn das Heumarkt-Projekt in der bestehenden Form umgesetzt würde, wäre das eine Verletzung der Kriterien für den Welterbestatus, und er müsste in Konsequenz aberkannt werden.
Standard: Was bedeutet das Welterbe für den Tourismus? Haag: Wenn man sagt, für den Tourismus ist das gut oder schlecht oder unerheblich, dann greift das viel zu kurz. Welterbe ist ein Schutzinstrument, aber kein Instrument der Stadtplanung. Es geht hier nicht primär um ein touristisches Gütesiegel, sondern um den Erhalt einer Welterbestätte mit einem besonderen Wert für die Bewohner und die Menschen.
Standard: Was ist Ihre Rolle? Haag: Eine vermittelnde. Aber weder obliegt mir eine Entscheidungs- noch eine Empfehlungskompetenz.
SABINE HAAG ist Direktorin des KHM.