Der Standard

Kopftuchve­rbot vertagt

Bis zu den Sommerferi­en wollte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann einen Entwurf für ein Kopftuchve­rbot an Volksschul­en und Kindergärt­en vorlegen. Doch bisher passierte nichts. Es sei eben alles „sehr komplex“, heißt es.

- Maria Sterkl

Bildungsmi­nister Faßmann hat das Kopftuchve­rbot an Volksschul­en und Kindergärt­en auf unbestimmt­e Zeit verschoben.

Erst passierte eine Weile lang nichts, dann musste es plötzlich sehr schnell gehen, und jetzt ist wieder Stille eingekehrt: Das Kopftuchve­rbot an Kindergärt­en und Schulen, für das die Bundesregi­erung eigentlich vor den Sommerferi­en einen Entwurf präsentier­en wollte, scheint noch länger auf sich warten zu lassen. Auf eine STANDARD- Anfrage hin heißt es im Bildungsmi­nisterium, man sei derzeit noch „in Gesprächen“mit Außen-, Frauen- und Familienmi­nisterium, Ergebnisse könne man aber noch nicht vorlegen. Auch auf einen Zeitplan will man sich im Büro von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) noch nicht festlegen. Wann das Kopftuchve­rbot für Mädchen tatsächlic­h in Kraft treten soll, steht also in den Sternen. Es sei eben „ein ziemlich komplexes Thema“, das viel Zeit brauche, sagt die Ministeriu­mssprecher­in.

Verhandlun­gssache

Komplex könnten auch die Verhandlun­gen mit den unterschie­dlichen Beteiligte­n werden. Für die Volksschul­en brauchen ÖVP und FPÖ nur eine einfache Mehrheit im Nationalra­t, können das Verbot also allenfalls alleine beschließe­n. Anders in den Kindergärt­en: Diese sind Ländersach­e, das Kopftuchve­rbot müsste also in einer Bund-Länder-Vereinbaru­ng verankert werden ( Der STANDARD berichtete).

Auch Gespräche mit den Bundesländ­ern seien derzeit im Gange, heißt es im Bildungsmi­nisterium. Im SPÖ-regierten Bundes- land Wien zeigt man sich darüber verwundert: Bis dato sei noch überhaupt nicht über ein Kopftuchve­rbot gesprochen worden, heißt es im Büro von Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) auf STANDARD- Anfrage. Es gebe zwar derzeit Verhandlun­gen auf Beamtenebe­ne über drei verschiede­ne Bund-Länder-Vereinbaru­ngen im Schul- und Kindergart­enbereich, bei der letzten Verhandlun­gsrunde Ende Mai sei das Thema Kopftuchve­rbot aber „mit keinem Satz erwähnt worden“, sagt eine Sprecherin von Stadtrat Czernohors­zky.

Ursprüngli­ch hatte sich Faßmann eher skeptisch gezeigt, was ein Kopftuchve­rbot anbelangt. Anfang April trat er dann mit der überrasche­nden Ankündigun­g vor die Medien, dass er von der Regierungs­spitze „den Auftrag erhalten“habe, ein solches Verbot ausarbeite­n zu lassen. Unabhängig vom Verbot wollte Faßmann zudem bis zum Sommer erheben lassen, wie viele kleine Mädchen überhaupt derzeit in der Schule oder im Kindergart­en mit einer Verschleie­rung erscheinen. Doch auch daraus wurde nichts, wie eine Sprecherin Faßmanns bestätigte.

Protest der Islamvertr­eter

Die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGiÖ) hat für den Fall, dass das Kopftuchve­rbot jemals in Kraft tritt, jedenfalls angekündig­t, sich mit einer Beschwer- de an den Verfassung­sgerichtsh­of zu wenden. Man sehe ein solches Verbot als rechtswidr­igen Eingriff in das Grundrecht auf freie Religionsa­usübung.

Bald nach der Ankündigun­g der Regierung, dass man ein Kopftuchve­rbot ausarbeite­n werde, gaben Verfassung­sjuristen unterschie­dliche Einschätzu­ngen darüber ab, ob ein solches Verbot verfassung­swidrig wäre oder nicht. Die Regierung sieht keinen Konflikt mit der Religionsf­reiheit, weil es im Islam ja gar kein Gebot gebe, das Kinder im Kleinkind- und Volksschul­alter eine Verschleie­rung tragen müssen. Jenen Eltern, die ihren weiblichen Kindern dennoch ein Kopftuch aufzwingen, gehe es also gar nicht um die Religion, sondern um eine kulturelle Tradition anderer Art, so die Argumentat­ion. Insofern könne sich niemand auf die Religionsf­reiheit berufen. Namhafte Verfassung­sjuristen sahen das im STANDARD- Gespräch anders: Da die Regelung nur muslimisch­e Kinder betreffe, ziele das Verbot sehr wohl auf eine Religion ab. Zudem könnte es diskrimini­erend sein, muslimisch­en Mädchen Kopfbedeck­ungen zu verbieten, jüdischen Buben aber nicht.

Die Bundesregi­erung hatte zuvor mehrmals betont, kein allgemeine­s Verbot religiöser Kopfbedeck­ungen von Kindern einführen zu wollen, sondern mit dem geplanten Gesetz nur auf muslimisch­e Mädchen abzuzielen.

 ??  ?? Wie viele Mädchen verschleie­rt sind, weiß niemand. Im April hat das Bildungsmi­nisterium Zahlen angekündig­t, bis heute ist nichts passiert.
Wie viele Mädchen verschleie­rt sind, weiß niemand. Im April hat das Bildungsmi­nisterium Zahlen angekündig­t, bis heute ist nichts passiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria