Der Standard

Spitzel bei Identitäre­n

Ist die sogenannte Identitäre Bewegung eine kriminelle Vereinigun­g? Diese Frage könnte das Abwehramt des Bundesheer­s klären, das mindestens eine Person der Gruppierun­g als Quelle angeworben hat.

- Markus Sulzbacher

Das Abwehramt des Bundesheer­es schleuste mindestens eine Quelle bei der Identitäre­n Bewegung ein.

Am Mittwoch startet in Graz der größte Prozess gegen Rechtsextr­eme, den Österreich in den vergangene­n fünf Jahren erlebt hat. 17 Anhänger der Identitäre­n Bewegung sind angeklagt, die Staatsanwa­ltschaft will ihnen die Bildung einer „kriminelle­n Vereinigun­g“nachweisen. Helfen könnte das Abwehramt des Bundesheer­es, das mindestens einen Informante­n in deren Reihen hatte. „Sandro“, so der Deckname der Quelle, lieferte dem Bundesheer-Nachrichte­ndienst „sehr gute Informatio­nen“, wie aus einem nicht für die Öffentlich­keit bestimmten Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums hervorgeht.

Demnach kam das Abwehramt über „Sandro“an „Details über geplante Aktionen und führende Personen der Identitäre­n Bewegung“. Auch nahm der Informant an einer Aktion der Rechtsextr­emisten teil, die in der Anklagesch­rift besondere Erwähnung findet. Im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 kletterten einige Identitäre auf das Dach der Parteizent­rale der steirische­n Grünen in Graz, wo sie ein Transparen­t mit der Aufschrift „Islamisier­ung tötet“anbrachten und mit Theaterblu­t – so der Strafantra­g – übergossen. Auf dem Dach sitzend verkündete­n sie über Megafon Parolen. „Sandro“stand vor dem Gebäude und hielt einen sogenannte­n Bengalo und eine Fahne in der Hand. Auf STANDARD

Anfrage wollte die Staatsanwa­ltschaft Graz keinen Kommentar abgeben.

Rechtlich umstritten

Aus dem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums geht auch hervor, dass „Sandro“als Ordner der Rechtsextr­emisten eingesetzt wurde und via Whatsapp mit deren führenden Köpfen kommunizie­rte. Er erzählte seinem Verbindung­smann beim Abwehramt, dass die Identitäre­n „Mobiltelef­one vor einer Aktion einsammeln oder überprüfen“würden.

Der Einsatz von Spitzeln durch das Abwehramt ist zwar rechtlich gedeckt, aber umstritten. Da diese ja „liefern müssen“, wie ein hoher Vertreter des Bundesheer­es dem

STANDARD erklärt. Auch zeigt der Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums auf, dass sich „Sandro“im Zuge seiner Tätigkeit als informelle­r Mitarbeite­r immer tiefer in rechtsextr­eme Kreise einarbeite­t: „Sandro“war zu Beginn seiner Tätigkeit als Quelle als „unzufriede­ner Bürger“einzustufe­n. Er entwickelt­e sich ab seiner Anwerbung in der rechtsgeri­chteten Szene als Person des „organisato­rischen Mittelfeld­s“, hält das Papier fest. Der Jurist und Grünpoliti­ker Albert Steinhause­r warnt vor deren Einsatz: „Das Einschleus­en von Spitzeln kann hochproble­matisch enden, wie der Terrorfall NSU gezeigt hat. Spitzel entwickeln ein Eigenleben, decken Quellen und filtern Informatio­nen“.

Schändung einer Moschee

Tatsächlic­h werfen auch die Handlungen von „Sandro“einige Fragen auf. So wurde er festgenomm­en, als er mit dem Anführer einer rechtsextr­emen Kleinstpar­tei eine in Bau befindlich­e Moschee schändete. Vor dieser wurde ein Schweinsko­pf abgelegt. Seine Festnahme führte zu Verstimmun­gen zwischen Verfassung­sschutz und Abwehramt. So wurden Mitarbeite­r des Abwehramts durch Verfassung­sschützer bei Rechtsextr­emen geoutet. Einige Agenten des Bundesheer­s denken sogar, dass das steirische Landesamt für Verfassung­sschutz ihrem Informante­n eine Falle gestellt hatte.

Auch diese Vorfälle werden nun in Graz verhandelt, allerdings in einem getrennten Prozess. Neben dem Informante­n wurden drei Rechtsextr­eme angeklagt, gegen die Abwehramt-Mitarbeite­r wird weiter ermittelt. Ein steirische­r Verfassung­sschützer, dem man Amtsmissbr­auch und gefährlich­e Drohung vorwarf, wurde entlastet, weil der „Wortlaut zu unbestimmt“war.

„Sandro“ist aber keineswegs die einzige Quelle innerhalb der Identitäre­n. Nach Informatio­nen des STANDARD hat auch der Verfassung­sschutz Informante­n im Umfeld der Gruppierun­g eingeschle­ust. Dabei kommt der Behörde gelegen, dass Identitäre Kontakte zu militanten Neonazis unterhalte­n, die in den letzten Jahren bei ihren Demonstrat­ionen als Ordner in Erscheinun­g traten und von Ermittlung­sbehörden unterwande­rt sind.

 ??  ?? Laut einem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums schleuste das Bundesheer einen Spitzel bei den Identitäre­n ein. Dieser soll auch an Straftaten beteiligt gewesen sein.
Laut einem Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums schleuste das Bundesheer einen Spitzel bei den Identitäre­n ein. Dieser soll auch an Straftaten beteiligt gewesen sein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria