Der Standard

„Wir laden einen Politiker ein, aber wir haben eine Vereinbaru­ng mit Dritten, dem Publikum.“

Der neue „Report“-Chef Wolfgang Wagner und seine Stellvertr­eterin Susanne Schnabl-Wunderlich über Politiker, die korrekte Fragen infrage stellen, und ihre Pläne für ein TV-Magazin des Verständni­sses.

- INTERVIEW: Harald Fidler

Der neue ORF-„Report“-Chef Wolfgang Wagner über kritische Interviewf­ührung

Das Report- Interview mit Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) beschäftig­te auch die obersten ORF-Aufseher: Im Programmau­sschuss des Stiftungsr­ats vermisste der bürgerlich­e Künstlerma­nager Herbert Fechter Respekt und Höflichkei­t im Umgang mit dem obersten Exekutivor­gan. Moderatori­n Susanne SchnablWun­derlich habe Kickl zu oft und zu harsch unterbroch­en.

Musste sie, sagen Schnabl und Wolfgang Wagner im STANDARD- Interview. Wagner (50) ist neuer Chef des ORFPolitik­magazins, nach 16 Jahren bei der ZiB 2, zehn als Sendungsve­rantwortli­cher. Schnabl-Wunderlich (38) moderiert den Report seit 2012, sie bleibt Vizechefin. Im Frühjahr veröffentl­ichte sie im Verlag Brandstätt­er das Buch Wir müssen reden. Warum wir eine neue Streitkult­ur brauchen.

STANDARD: Zu Innenminis­ter Herbert Kickl waren Sie vorige Woche „unhöflich“und ließen „Respekt“vermissen – fand der bürgerlich­e ORF-Stiftungsr­at Herbert Fechter, weil Sie Kickl mehrfach unterbroch­en haben. Schnabl: Wenn ich faktenbasi­ert frage, aber die Korrekthei­t der Frage infrage gestellt wird, dann bleibt mir als Interviewe­rin nichts übrig, als das richtigzus­tellen. Wagner: In der ZiB 1 vor dem Report hat der slowenisch­e Regierungs­chef die Grenzschut­zübung als Provokatio­n bezeichnet.

Kickl hat daraufhin erklärt, warum er besser weiß, dass die slowenisch­e Regierung das anders sieht. Schnabl: Und wenn Antworten in einer Acht-Minuten-Interviews­trecke bis zu 2.30 Minuten dauern, dann könnten wir nur drei Fragen stellen. Ein Interview ist kein Gespräch – da muss man in einer sehr begrenzten Zeit sehr komplexe Themen abhandeln, und das freilich wissen Politiker. Und zur Unhöflichk­eit: Ich habe sogar zweimal eingeleite­t mit: „Darf ich eine Frage stellen?“Wagner: Wir laden einen Politiker ein, aber wir haben eine Vereinbaru­ng mit Dritten, dem Publikum. Wir vereinbare­n mit dem Politiker, über welche Themen geredet wird. Wenn sich zeigt, dass sich das aufgrund sehr langer Antworten nicht ausgeht, dann haben wir im Interesse des Publikums dafür zu sorgen, dass die relevanten Fragen noch Platz haben. Ich habe das Interview als durchaus respektvol­l empfunden. Schnabl: Ich bekam übrigens viele Reaktionen, dass der Minister unhöflich im Report aufgetrete­n sei. Wagner: Ich habe das – in der Fußballspr­ache – als Dauerpress­ing empfunden. Das war seine Strategie.

Standard: Sie sind neuer Sendungsch­ef des „Report“– was haben Sie gemeinsam vor? Wagner: Wir wollen die Sendung sein, die Materien am tiefsten begreifbar und ver- ständlich macht. Der Überbegrif­f ist für mich Verständni­s. Nur in Formaten wie diesem kann man in Milieus, in Blasen hineinscha­uen. Wir gehen dorthin, wo viele leider nicht mehr hinkommen, und geben dem Publikum die Möglichkei­t, Dinge nachzuvoll­ziehen, vielleicht nachzuempf­inden. Schnabl: Es geht darum, den Menschen auch die andere Perspektiv­e zu vermitteln. In sozialen Medien herrscht eine Frontstell­ung gegenüber Andersdenk­enden, aber wer geht schon in ein anderes Milieu, um etwa am Wirtshaust­isch mit politische­n Gegnern zu diskutiere­n? Das Magazin kann das größtmögli­che Bild eines Themas liefern. Das wollen wir tun. Das gibt es nur hier, im Privatfern­sehen bietet das niemand.

Standard: Verständni­s kann neben dem inhaltlich­en Verstehen auch Empathie bedeuten. Wagner: Ich will niemanden überzeugen. Bei jeder Differenz soll man aber verstehen, warum der andere anderer Meinung ist. Die Menschen tauschen sich nur noch mit Gleichgesi­nnten aus. Wenn man etwas so nahegebrac­ht bekommt, fällt es vielleicht leichter zu verstehen: In dieser Lebenssitu­ation hat der diese politische Entscheidu­ng getroffen. Auch wenn man’s selbst nicht so machen würde.

Standard: Haben Sie kein schlechtes Gewissen, in dieser heiklen ORF-politische­n Situ- ation die Schlüsselp­osition des „ZiB 2“-Sendungsch­efs aufzumache­n? Wagner: Nein, habe ich natürlich nicht. Ich weiß, dass der Stellenwer­t der ZiB 2 für den Generaldir­ektor so hoch ist, dass er eine super Lösung für die ZiB 2 finden wird. Inzwischen macht das Sendungspl­aner Matthias Schmelzer interimist­isch. Und er macht das sehr gut.

Standard: Österreich hat seit Dezember eine neue Regierung, die sich, vorsichtig formuliert, sehr für Medien und den ORF interessie­rt. In der Minister und Vizekanzle­r GIS-Gebühren abschaffen wollen, dem ORF und seinen Journalist­en Lügen vorwerfen. Unter der im ORF rasch neue Chefredakt­eure installier­t werden. Und Stiftungsr­äte wollen Korrespond­enten rauswerfen. Was hat sich für die Arbeit der ORF-Journalist­en verändert? Schnabl: Wir machen profession­ell unseren Job. Und auf der anderen Seite gibt es andere Interessen – ebenso profession­ell. Bei uns im Report – weil in der Sache interessan­t – waren alle neuen FPÖMiniste­r im Studio. Und: Wie viele SPÖ-Minister bis hin zu Kanzlern und ebenso Landeshaup­tleute verschiede­ner Parteien hatten wir nicht schon im Report, die sich „on air“über angebliche Einseitigk­eit von Vorwürfen beschwert haben! Auch denen war die Frage unangenehm. pMehr: derStandar­d.at/Etat

Wenn ich faktenbasi­ert frage, aber die Korrekthei­t der Frage infrage gestellt wird, muss ich das richtigste­llen. Wolfgang Wagner Wie viele Minister der SPÖ und Landeshaup­tleute haben sich beschwert! Auch denen waren die Fragen unangenehm. Susanne Schnabl

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„Wollen niemanden überzeugen“– aber Verständni­s für andere Meinungen wecken: „Report“-Chefs Wolfgang Wagner und Susanne Schnabl über ihre Pläne.

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